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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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Leben war, in der ich Gewicht zugelegt habe!
    Es versteht sich von selbst – und deshalb will ich auch gar nicht länger bei diesem Thema verweilen –, daß kein Besuch des modernen Paris vollständig ist, ohne auch Monsieur Eiffels seltsamen Turm zu besteigen. An dieser Stelle sei also lediglich vermerkt, daß ich in dieser Hinsicht keine Ausnahme darstellte.
    Schließlich stieg ich in einem Hotel am rive gauche ab, gegenüber von Notre Dame, in der Rue Saint-Julien-le-Pauvre. Passenderweise trug es den Namen der Heldin aus Hugos bemerkenswerter Novelle Esmeralda, die (wahrscheinlich) in der Nähe gelebt hatte. Das Gebäude selbst stammte aus dem fünfzehnten Jahrhundert, und die Zimmer waren winzig, würden mir aber genügen, bis ich etwas Besseres fand.
    Ja, ich hatte beschlossen, eine Weile in Paris zu bleiben. Die Stadt war unwiderstehlich, und in meiner augenblicklichen losgelösten Stimmung beschloß ich, sie näher zu erkunden. Diese Entscheidung wurde durch einen weiteren wesentlichen Punkt beflügelt, nämlich meine zufällige Entdeckung einer Ausgabe des Daily Telegraph , in der mit einiger Ausführlichkeit über meinen Tod berichtet wurde. Ich war in einem jener zahllosen Cafés, auf die ich bereits angespielt habe, auf diese Zeitung gestoßen, die zweifellos von irgendeinem Reisenden dort liegengelassen worden war, der keine weitere Verwendung für sie hatte.
    Ich nippte gerade an meinen café au lait und rauchte meine Morgenzigarette, als ich die schaurige Bestätigung meines Hinscheidens in mich aufnahm. Mein lieber Watson, Sie waren zuverlässig wie immer. Es war tatsächlich schwierig, eine gewisse Rührung zu unterdrücken, während ich von meinem Todeskampf mit Moriarty las – der arme, alte Moriarty! – und über den Kummer, den mein Tod Tausenden von Trauernden einflößte. Ehemalige Klienten von mir wurden befragt (einschließlich einer gewissen huldvollen Dame, die in Windsor residiert), deren gesammelte Gram mir beinahe die Tränen in die Augen trieb. *
    Aber eben doch nur beinahe. Ich hatte mich noch ganz und gar nicht von der Entdeckung meiner neugefundenen Freiheit erholt, und ich fürchte, die Neuheit meiner Situation hatte sich auch noch nicht erschöpft. (Jahre später, als ich endlich dazu kam, den Roman zu lesen, begriff ich mit dem Schock des Wiedererkennens die Gefühle Tom Sawyers beim Besuch seiner eigenen Beerdigung.) Auch weitere Artikel über meinen Tod, wie sie in Le Monde und Le Figaro  – ›Sherlock Holmes Mort!‹  – erschienen übrigens mit interessanten Ausschmückungen, die so typisch für den französischen Journalismus sind, hatten keinen Einfluß auf meine Entscheidung. Sie bestärkten vielmehr meine Entschlossenheit, machten mir meine ungewöhnliche Freiheit und ihre neuen Möglichkeiten nur um so mehr bewußt.
    Ich sollte an dieser Stelle kurz erwähnen, daß meine neugefundene Erlösung von den Fesseln meines früheren Selbst nicht dazu führte, daß ich so unvorsichtig gewesen wäre, irgendwelche meiner alten Angewohnheiten wieder aufzunehmen. Sie brauchen keine Unwissenheit vorzutäuschen, mein lieber Freund; ich spreche von meiner früheren Vorliebe für gewisse Narkotika, wenn gerade kein Fall von ausreichendem Interesse da war, der mich hätte fesseln können. Dieser Teil meines Lebens war wahrhaftig vorbei; dank unserem Freund hatte ich mich von solch kindischen Dingen freigemacht, und im Laufe dieser ganzen traurigen Geschichte, die ich Ihnen nun erzählen will, geriet ich, wie Sie gleich hören werden, nur ein einziges Mal in Versuchung, wieder bei diesen Dingen Zuflucht zu suchen.
    Schon kurze Zeit, nachdem ich zufällig auf meinen eigenen Nachruf gestoßen war, fand ich eine Unterkunft im Marias-Distrikt in der Rue Saint-Antoine. Meine Zimmer waren, verglichen mit unserer Unterkunft in der Baker Street, recht spartanisch – nicht mehr als zwei Räume und ganze vier Treppen hoch. Madame Solange, meine achtzigjährige Concièrge, brachte mir jeden Morgen frische Croissants und heiße Schokolade aufs Zimmer, wobei sie unablässig unverständliche Worte vor sich hinmurmelte. Aber welche Rolle spielte schon ein Zimmer für mich, der ich lediglich einen Platz brauchte, an dem ich mich zur Nacht betten konnte? Es war eine simple Angelegenheit, meine Gladstone auszupacken und mir Klarheit über meine Situation zu verschaffen.
    Jetzt, da ich mich endlich häuslich niedergelassen hatte, stand ich der Frage gegenüber, was ich als nächstes tun

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