Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
Vom Netzwerk:
hat. Er wird sich selbst vergewissern wollen, wo Sie sind und was aus Ihnen geworden ist. Und außerdem …«
    »Ja?«
    »Er kann einem gewissen Hang zum Dramatischen nicht widerstehen. Das ist eine Gesinnung, mit der ich durchaus vertraut bin.«
    Es entstand eine weitere, schier endlose Pause. Noch immer drehte sie sich nicht herum. Als sie schließlich zu sprechen begann, war ihre Stimme so teilnahmslos, als sei sie bereits tot.
    »Sagen Sie mir ganz genau, was ich tun soll.«

KAPITEL DREIZEHN

    Un Ballo in Maschera

    Heutzutage ist der Maskenball der Oper eine sogenannte ›Wohltätigkeitseinrichtung‹, Watson, und es gibt Leute, die behaupten, diese bourgeoise Veränderung hätte der ganzen Angelegenheit ihr Flair geraubt. Vor zwanzig Jahren, in seiner Glanzzeit, an jenem schicksalsschweren Abend, an dem ich ihn besuchte, stand der Opernball in seiner letzten Blüte, war beinahe das letzte Ereignis einer Art gesellschaftlichen Kalenders, der schon damals im Aussterben begriffen war. Bereits kurze Zeit später schlich sich eine sture viktorianische Empfindlichkeit über den Kanal (trotz der gelegentlichen freundschaftlichen Einmischung des fröhlichen Prinzen von Wales), die es zuwege bringen sollte, die Flüsse der Freizügigkeit auszutrocknen und eine fade Wohlanständigkeit an ihre Stelle zu setzen. Ältere Teilnehmer dieses Balles stellten später fest, daß die Vergnügungen der Wohlanständigkeit gar kein Vergnügen waren.
    Weil der Opernball alter Zeiten von und für die Opéra abgehalten wurde, fand er im Theater statt und war eine der wenigen Soiréen, auf denen sich die haut und die demimondes trafen und öffentlich vermischten. Selbst die Sänger waren in gewisser Weise Schauspieler, und Henry Irving war noch nicht zum Ritter geschlagen worden, um dieser alten Profession eine untadelige Respektabilität zu verleihen. Es war keine reine Laune oder Charakterschwäche, die den älteren Chagny die Stirn runzeln ließ über die Beziehung seines Bruders zu einem Sopran; es war ein angeborener sozialer Instinkt. Wenn Philippe nichts als eine vulgäre Verstrickung vermutet hätte, wäre er gewiß toleranter gewesen. Es war die Liebe, die das Ganze mit einem Makel behaftete.
    Auf dem Opernball waren solche Unterscheidungen jedoch wie weggewischt – für die Dauer des Balles. Die Teilnehmer dieses Balls kamen nicht nur aus zwei verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, die oft blaß vor Neid aufeinander waren – die Gäste waren außerdem maskiert, und diese Anonymität ermöglichte und ermutigte jede Art von Kontaktaufnahme.
    Es hat einen gewissen Reiz, anonym zu sein, Watson, wie ich zu dieser Zeit bereits wußte. Die Anonymität löst die Fesseln eines Charakters auf eine Art und Weise, die man nur schwindelerregend nennen kann. Am Anfang dieser Geschichte habe ich mich bemüht, meine Gefühle bezüglich meines eigenen Inkognitos und der verwirrenden Möglichkeiten dieser Situation zu beschreiben. Es mag scheinen, daß mein Gebrauch dieser Möglichkeiten relativ zahm war im Vergleich zu den Gelegenheiten, die die Feiernden auf dem Maskenball ausnutzten. Ich hatte schließlich nur beschlossen, Geiger zu werden, und selbst in diesem unauffälligen Beruf wurde ich, wie wir gesehen haben, von meinem wahren métier eingeholt. Andere dagegen bewerkstelligten viel radikalere Abkehrungen von ihrer wahren Identität, wenn auch nur für kürzere Zeit. (Je länger ein Mensch anonym bleibt, um so deutlicher tritt sein wahres Selbst zutage, wie sehr er sich auch bemühen mag, es zu verbergen.)
    Tatsächlich ermöglichte einem das Verbergen der eigenen Persönlichkeit hinter einem Domino bei einer Gelegenheit wie dem Opernball alle möglichen Freiheiten. Menschen, die bei Tageslicht durch Alter oder Sitte gehemmt waren, fanden plötzlich heraus, daß sie (mit Hilfe des einen oder anderen Glases Champagner) zu dem ungeheuerlichsten Benehmen fähig waren. Es mußte nur dafür gesorgt werden, daß ihre Masken niemals verrutschten, dann konnten sie in den folgenden Tagen verwundert über ihr eigenes zügelloses Verhalten nachdenken. Überdies gab es genügend Leute, die mit dem Phänomen bereits vertraut waren und sich mit eifriger Vorfreude auf die nächtlichen Riten vorbereiteten. Das waren die Lebemänner, die im voraus planten und genossen, was das Gedränge ihnen bei solchen Gelegenheiten bot, Männer, die sich bestens darauf vorbereitet hatten.
    Für den Fall, daß Sie mich im Verdacht haben, diese Dinge

Weitere Kostenlose Bücher