Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
Vom Netzwerk:
Arm und entlohnte den Fahrer.
    Sie war unruhig wie ein ungezähmtes Hengstfohlen, und jeder neue Anblick, jedes neue Geräusch waren ein Schock für ihre angegriffenen Nerven. Eingequetscht in den gigantischen Lift, zusammen mit Dutzenden von Fremden, zitterte sie neben mir wie eine vibrierende Stimmgabel und stieß einen leisen Schrei aus, als wir mit einem Ruck abhoben. Während die Zahnräder uns in einem sanften Bogen nach oben führten, umklammerte ihre Hand meinen Arm wie ein eiserner Schraubstock.
    Auf der ersten Etage wechselten wir in einen kleineren Lift über. Sie folgte mir, stumm vor Entsetzen, und die Eisenbeschläge huschten wie zarte Spitze an dem Fenster vorbei, wurden immer dürftiger und zerbrechlicher, je höher wir kamen.
    Schließlich gab es einen dritten Lift, der nur halb so groß war wie seine Vorgänger, und einen Augenblick lang spielte ich mit dem Gedanken zu bleiben, wo wir waren, aber dort gab es für meinen Geschmack immer noch zu viele Menschen. Ich wollte jeden um uns herum sehen können, und zwar meilenweit. Ich konnte nicht sicher sein, daß das Ungeheuer nicht einen Komplizen hatte, der uns selbst jetzt noch folgte. Es stand ganz eindeutig fest, daß irgend jemand ihm die Dinge brachte, die er mit seinem monatlichen Gehalt erstand – woher sonst bekäme er sein Essen, und wie hätte er die Einzelteile seiner Orgel erwerben und zusammenbauen können?
    Sie zitterte wie ein Blatt, als wir den Gipfel erreichten, gestattete es mir jedoch, sie die Stufen zu einer kleinen Terrasse hinaufzuführen, auf der der Wind nach dem Rand ihres Häubchens schnappte.
    »Warum haben Sie mich hierher gebracht?« Beim Anblick der Stadt, die sich da unter ihr in alle Himmelsrichtungen ausbreitete, versuchte sie, die Augen zu schließen, was jedoch ihr Gleichgewicht zu stören schien, da sie sie sofort wieder öffnete.
    »Weil es hier keine Macht mehr über uns hat. Je näher wir dem Himmel kommen, um so weniger kann er Sie beherrschen.«
    »Er ist ein Engel!«
    »Es sind die Teufel, so erzählt man uns, die sich unter der Erde häuslich einrichten, nicht die Engel.«
    »Aber seine Oper, Der Triumph des Don Juan , sein Meisterwerk – es ist beinahe fertig.«
    »Sie ist schon jetzt fertig. Christine, Sie sind für das hier geschaffen« – ich wies mit meinem Arm auf den Horizont –, »eine Welt voll Sonnenschein und Lachen und Menschen, eine Welt mit Raoul darin«, schloß ich ein wenig prosaisch. »Kein Engel würde auch nur im Traum daran denken, Sie zu bitten, dieses Glück aufzugeben, auf das jede menschliche Seele ein Recht hat.«
    »Was wollen Sie von mir?«
    »Ich will, daß Sie heute abend singen, auf der Gala im Anschluß an den Opernball.«
    »Niemals!«
    »Sie müssen!«
    »Ich könnte keine einzige Note herausbekommen, das sage ich Ihnen. Nicht ohne meinen Engel, der mir hilft.«
    »Sehen Sie sich diese wunderschöne Stadt an! Sehen Sie den blauen Himmel an und die wunderbar scheinende Sonne, und sagen Sie mir, daß Sie irgend etwas anderes brauchen als Ihren eigenen Genius, Christine.«
    »Sie leiden unter einem Mißverständnis«, fuhr ich ein wenig milder fort. »Ihre Stimme gehört nur Ihnen, und Sie können singen, ob er es wünscht oder nicht.«
    »Aber Sie haben gesehen, was mit Carlotta geschehen ist! Sie haben es gehört!«
    »Lassen Sie sich versichert sein, daß Carlotta keinen Frosch im Hals hatte.« Ich versuchte noch einmal, die Geschehnisse des Ventriloquismus zu erklären, aber sie schlug sich die Hände über die Ohren.
    »Ich verstehe es nicht«, protestierte sie verzweifelt. »Sie gebrauchen zu große Worte!«
    »Dann verstehen Sie dies«, rief ich und riß ihr die Hände von den Ohren. »Ihre einzige Chance auf Freiheit und auf Glück besteht darin, daß Sie die unnatürliche Kette zerreißen müssen, die Sie an diesen Luzifer bindet!«
    Sie sagte eine ganze Weile gar nichts, ging dann ein kleines Stück von mir weg zum Geländer hin. Ich schrak zusammen und war bereit, mich auf sie zu stürzen, falls sie es sich in den Kopf setzen sollte, über die Schranke zu klettern. *
    Eine ganze Weile stand sie so da und wandte mir den Rücken zu.
    »Sie wollen, daß ich ihn betrüge«, sagte sie schließlich mit der tonlosen Stimme eines Menschen, dessen letzter Hoffnungsstrahl endgültig verloschen ist.
    »Ich brauche Sie, um ihn aus der Reserve zu locken, jawohl.«
    »Woher wissen Sie, daß er überhaupt dort sein wird?«
    »Er weiß, daß man Sie seinem Zugriff entzogen

Weitere Kostenlose Bücher