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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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Weg standen, brutal zur Seite.
    Mitten in meinen vergeblichen Versuchen durchbrach ein schriller Schrei das Stimmengewirr und brachte das gesamte Foyer zum Schweigen.
    Es war die kleine Jammes, maskiert, aber doch immer noch gut zu erkennen. Sie saß auf den Schultern eines Zirkusgewichthebers. Zitternd wies die Kleine auf eine Gestalt.
    »Der Geist!« schrie sie und stieß noch einmal ein gespenstisches Kreischen aus.
    »Der Geist!« echote eine Stimme, die ich als die von Meg Giry erkannte. Sie entstieg einer indischen Prinzessin, die in den Armen eines puritanischen Graubartes lag.
    Alle folgten der Richtung, in der Jammes’ zitternder Finger wies, und die Menge stieß ein gemeinschaftliches Keuchen aus.
    Oben auf der Vordertreppe stand eine riesige Gestalt, die von Kopf bis Fuß in Scharlachrot gehüllt war und einen grausigen Totenkopf auf den Schultern trug, auf dem ein großer Hut mit scharlachroten Reiherfedern thronte. Der ganze Mann war in ein weites Cape derselben Farbe eingehüllt. Selbst von meinem Standort aus konnte ich das bösartige Glitzern und Blitzen seiner Augen hinter der Maske sehen.
    »Der rote Tod!« rief eine Stimme, und ein paar Leute waren so zuvorkommend, in Jammes’ Geschrei einzustimmen.
    Ein lauter Angstschrei, den ich als Christines erkannte, gab den Ausschlag für mich. Ein regelrechter Schauder der Überzeugung ging durch mich hindurch, als ich endlich meine Beute erblickte. Es war nicht Pierrot. Der war von dieser Erde, lediglich der Komplize des Ungeheuers, dessen Existenz ich bereits vermutet hatte. Der Riese oben an der Treppe, der dort so still stand, als wäre er aus Eisen – das war der Gesangsmeister.
    Einen Augenblick später hatte ich meine Entscheidung getroffen. Vor der Wahl stehend, entweder Christine nachzusetzen oder der Kreatur, die ihr das Leben so schwer gemacht hatte, entschloß ich mich, ohne zu zögern, für das letzte. Dieser Massenmörder – denn nichts anderes war er, Watson – war meine eigentliche Beute, mögen Sie mich nun herzlos nennen oder was immer Sie wollen.
    Ohne weiter zu versuchen, höflich zu sein, tauchte ich in die Menge und stieß jeden zur Seite, der mich behinderte, als seien die Menschen nichts anderes als Streichhölzer.
    Das Phantom in Scharlachrot blieb nur noch einen einzigen Augenblick lang reglos stehen, wirbelte dann mit einem gewaltigen Schwung seines Capes herum und flog die Treppenstufen hinauf.
    Der Augenblick der Anspannung war vorbei. Ein Lachen brach den Bann der Starre, die die Anwesenden befallen hatte. Die Kapelle begann wieder zu spielen, und die Menge nahm das Geschiebe, das sie nirgendwohin führte, wieder auf.
    Dann sah ich aus den Augenwinkeln, wie Pierrot Christine losließ und ebenfalls seinem Meister folgte, wobei er energisch an allen vorbeischoß, die seiner Flucht im Wege standen.
    Die Masse der Menschen, in deren Mitte sich diese Ereignisse entwickelt hatten, bekam nicht das Geringste davon mit. Es wurde ohnehin soviel geschoben und gedrängt, daß ein oder zwei besonders rüde Exemplare keine besondere Aufmerksamkeit erregten. In meinem Fall gab es genügend Leute, die einfach zurückstießen, wobei sie ihr bestes gaben und obendrein noch lachten.
    Für mich war das Ganze, wie Sie sich vorstellen können, mein lieber Watson, überhaupt nicht zum Lachen, sondern eine Angelegenheit von allergrößter Wichtigkeit. Als ich begriff, daß ich mich niemals durch diesen Ozean konfettibestreuter Festgäste würde hindurchzwängen können, drehte ich mich in die entgegengesetzte Richtung um und rannte auf die andere Treppe zu. Hier war die Menge weniger dicht. Ich rannte hinauf in den Ersten Rang und kam dort gerade rechtzeitig an, um den Riesen in Rot etwa dreißig Meter von mir entfernt einen Gang hinunterfliehen zu sehen. Ich rannte, wie ich in meinem ganzen Leben noch nie gerannt bin, stürzte durch die Kapelle, deren Instrumente in meinem Kielwasser in die Luft flogen, und bog gerade rechtzeitig um eine Ecke, um den weiten, wirbelnden Umhang auf der anderen Seite des Theaters abwärts verschwinden zu sehen.
    Hinter mir waren nun leise Rufe und gedämpfte Schritte zu hören, aber ich schenkte ihnen keine Beachtung, so sehr war ich mit meinem eigenen Vorhaben beschäftigt. Ich hatte eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wohin der Schurke entfliehen würde, und statt mich durch all die Champagnertrinker auf dem ersten Rang hindurchzupflügen, ging ich abermals meinen Weg zurück, kam ins Foyer und benutzte

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