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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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ich hatte wirklich keine Ahnung, was ihm als ausreichender Beweis für meine Identität erscheinen würde.
    Er überlegte einen Augenblick.
    »Wo bewahre ich meinen Tabak auf?« fragte er dann abrupt.
    »In der Spitze Ihrer persischen Pantoffeln.«
    Diese prompte Antwort schien seinen Verdacht zu besänftigen, denn seine Stimme klang etwas milder.
    »Und meine Korrespondenz?«
    »Ist mit einem Taschenmesser ans Kaminsims gespießt.«
    Er brummte zustimmend.
    »Und was waren die ersten Worte, die ich an Sie richtete?«
    »›Ich sehe, Sie sind in Afghanistan gewesen.‹ Um Himmels willen, Holmes!« bat ich.
    »Also gut, kommen Sie herein«, antwortete er, endlich zufriedengestellt. Er nahm seinen Fuß von der Tür, vergrößerte die Öffnung ein wenig und zog mich mit einer heftigen Bewegung hinein. Sowie ich über die Schwelle war, schloß er die Tür und verrammelte sie mit mehreren Riegeln und Schlössern, die ich dort vorher nie gesehen hatte. Ich stand wie angewurzelt und sah zu, wie er diesen Vorgang beendete und dann sein Ohr an die Türfüllung legte, um auf ich weiß nicht was zu horchen. Schließlich richtete er sich auf und drehte sich mit ausgestreckter Hand zu mir um.
    »Verzeihen Sie meine Zweifel, Watson«, sagte er mit einem Lächeln, »aber ich mußte sichergehen. Die sind zu allem bereit.«
    »Die Bande des Professors?«
    »So ist es.«
    Er führte mich ins Zimmer und bot mir Tee an, den er offensichtlich selbst zubereitet hatte, und zwar mit Hilfe des Bunsenbrenners, der mit den anderen Utensilien für seine chemischen Experimente auf einem rohen Holztisch plaziert war. Ich akzeptierte, setzte mich und sah mich um, während Holmes einschenkte. Der Raum war ganz wie damals, als wir ihn uns geteilt hatten – unordentlich wie immer –, aber die Fenster und Fensterläden waren verriegelt, die Läden selbst waren neu und, soweit ich beurteilen konnte, aus schwerem Eisen konstruiert. Das und die vielen Schlösser an den Türen waren die einzig sichtbaren Veränderungen.
    »Hier, alter Freund.«
    Von seinem Platz am Fenster streckte Holmes seinen Arm aus, um mir eine Tasse zu reichen. Er trug seinen Morgenrock (den mausfarbenen), und sein nackter Arm ragte aus dem Ärmel, als er mir den Tee herüberreichte.
    Er war ein Schlachtfeld von Einstichspuren.
    Ich werde nicht auf Einzelheiten dieses bedauerlichen Gesprächs eingehen; sein Verlauf läßt sich leicht erraten, und ich würde einen unwürdigen Schatten auf das Gedenken an einen großen Mann werfen, wollte ich berichten, welche Wirkung die abscheuliche Droge auf den Geist meines Freundes hatte.
    Nach einer Stunde verließ ich die Baker Street – ich wurde der Außenwelt mit fast ebensoviel Vorsichtsmaßnahmen übergeben wie bei meinem Eintritt –, nahm mir wieder eine Droschke und fuhr nach Hause.
    Noch tief schockiert über Holmes geistigen Zusammenbruch, sah ich mich einer unangenehmen Überraschung gegenüber. Das Mädchen teilte mir mit, daß ein Fremder auf mich warte.
    »Haben Sie dem Herrn denn nicht gesagt, daß Dr. Cullingworth mich heute morgen vertritt?«
    »Doch, das hab’ ich«, antwortete sie verlegen, »aber der Herr bestand darauf, Sie persönlich zu sprechen. Ich wollte ihm nicht die Tür weisen, deshalb habe ich ihn im Sprechzimmer warten lassen.«
    Zuviel war zuviel, und ich wollte eben meinem wachsenden Ärger Luft machen, als sie mir ängstlich ein Tablett überreichte.
    »Hier ist seine Karte.«
    Ich drehte die kleine weiße Karte um und erschauderte. Das Blut gefror mir in den Adern. Auf der Karte stand: Professor Moriarty.

KAPITEL ZWEI

    Biographisches

    Fast eine Minute lang starrte ich stumpfsinnig die Visitenkarte an. Dann wurde ich mir der Gegenwart des Mädchens bewußt, schob die Karte in meine Tasche, gab ihr das Tablett zurück und ging an ihr vorbei ins Sprechzimmer.
    Ich wagte nicht zu denken. Ich wollte nicht denken. Ich war eines klaren Gedankens nicht fähig. Sollte dieser – dieser Herr, wer immer er war und wie immer er sich nannte, mir die Sache erklären, wenn er dazu imstande war. Ich hatte für den Augenblick nicht die Absicht, mich auf weitere Spekulationen einzulassen.
    Er erhob sich sofort, als ich die Tür öffnete, ein kleiner, scheuer Mensch um die sechzig mit einem Hut in der Hand und einem erschreckten Ausdruck im Gesicht, der sich in ein Lächeln verwandelte, sobald ich mich vorgestellt hatte. Er streckte eine dünne Hand aus und berührte die meine flüchtig. Er war gut, aber nicht teuer

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