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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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Reisegepäck stolperte. Als er auf dem Bahnsteig des Kontinent-Expreß angelangt war, hielt er so plötzlich wie Gloucester am Rand der Klippe. Der Vanille-Extrakt war hier zu Ende. Ich blickte Holmes an, der lächelte und seine Brauen hochzog.
    »So«, sagte er ruhig.
    »Was nun?« fragte ich.
    »Lassen Sie uns feststellen, wann der Expreß abgefahren ist und wann der nächste geht.«
    »Und der Hund?«
    »Oh, den nehmen wir mit. Ich glaube, daß er uns noch von Nutzen sein kann.«

    »Natürlich ist Toby nicht die einzige Methode, vermittels derer ich Professor Moriarty hätte aufspüren können«, sagte Holmes später, als unser Zug etwa zwanzig Meilen von London auf dem Weg nach Dover aus dem Nebel auftauchte. »Es gab mindestens drei Möglichkeiten, und jede wäre wirksam gewesen. Ohne Vanille-Extrakt«, fügte er lächelnd hinzu.
    Die klarere Luft wirkte sich auf meine Laune ebenso günstig aus wie auf meine Lungen. Südöstlich von London war es noch bewölkt und regnerisch, aber immerhin war die Sicht klarer, und daß ich Holmes wirklich und wahrhaftig auf den Weg gebracht hatte, vergalt mir alle Unannehmlichkeiten.
    Mein Begleiter verfiel in einen unruhigen Schlaf. Er erwachte nach einer halben Stunde und warf mir sonderbare Blicke zu. Plötzlich stand er auf und hielt sich an den Gepäcknetzen fest.
    »Entschuldigen Sie mich einen Augenblick, mein Bester«, sagte er mit angestrengter Stimme. Mit einem weiteren merkwürdigen Blick nahm er seinen roten Mantelsack aus dem Netz. Er hatte, bevor unser Zug abfuhr, im Waschraum von Victoria Station die Reste seiner Verkleidung entfernt und sie durch seinen normalen Anzug aus der roten Tasche ersetzt. Ich wußte daher, wohin er ging, was er vorhatte und warum. Aber ich unterdrückte jedes mahnende Wort. Das war es doch, weswegen ich ihn nach Österreich brachte. Ja, ich brachte ihn, auch wenn er das nicht wußte.
    Toby hob den Kopf, als Holmes an uns vorbei aus dem Abteil glitt. Ich streichelte ihn, und er lag still.
    Holmes kam etwa zehn Minuten später zurück und legte lautlos den Mantelsack zurück ins Netz. Ohne ein Wort oder auch nur einen Blick setzte er sich nieder und gab vor, sich gänzlich in eine Taschenbuchausgabe von Montaignes Essays zu vertiefen. Ich blickte durchs Fenster auf die sanft hügelige, in glitzernde Feuchtigkeit gehüllte Landschaft und auf das mit dem Rücken zum Wind stehende Vieh.
    Der Zug fuhr nach Dover ein, dem Verbindungsbahnhof für das Schiff. Wir stiegen alle drei kurz aus und vertraten uns die Beine auf dem Bahnsteig. Holmes hatte Toby zuvor mit einer Erinnerungsdosis des Vanille-Extraktes aus einem Fläschchen in seinem Mantelsack versehen. Auf dem Bahnsteig, wo wir vorgaben, den Hund sein Geschäft verrichten zu lassen (was er übrigens mit Feuereifer tat), wanderten wir auf und ab und bemühten uns, festzustellen, ob der Professor den Zug hier verlassen hatte. Natürlich wußte ich, daß dies nicht der Fall war, aber da Toby zu dem gleichen Schluß kam, erübrigte es sich, das zu erwähnen.
    »Und da unser Zug an denselben Stationen hält wie alle Kontinent-Expresse, werden wir keine Gelegenheit zum Aussteigen vermissen, die der Professor hatte«, schloß Holmes logisch, und daraufhin überquerten wir den Kanal.
    In Calais befolgten wir dieselbe Prozedur – mit demselben Ergebnis –, und so ging es weiter bis Paris, das wir mitten in der Nacht erreichten. Der Gare du Nord war um diese Stunde wie verlassen, und wir hatten keine Schwierigkeiten, den Vanille-Extrakt-Fußspuren zu dem Bahnsteig zu folgen, an dem der Wien-Expreß abfuhr.
    Holmes runzelte die Stirn, als er das Schild sah.
    »Warum in aller Welt Wien?« murmelte er.
    »Vielleicht ist er irgendwo unterwegs ausgestiegen. Es gibt offenbar reichlich Stationen. Ich hoffe, Toby ist unfehlbar«, fügte ich hinzu.
    Holmes lächelte grimmig.
    »Ist er es nicht, dann sind wir schlimmer dran als damals, als er hinter dem Kreosotfaß her war«, gab er zu. »Aber ich glaube an den Vanille-Extrakt. Ich habe Experimente durchgeführt – und nun gut, wenn sie sich nicht bestätigen, dann ist dies der eine Fall, den Ihre Leser mehr erheiternd als erhebend finden werden, Watson.«
    Ich verschwieg, daß ich diesen einen Fall nicht niederzuschreiben beabsichtigte.
    Holmes lachte und ging, um festzustellen, wann der nächste Zug fuhr und ob es sich um denselben Bahnsteig handelte, was auch der Fall war.
    »Kann der Hund keinen Geruch mehr wahrnehmen«, argumentierte Holmes, als

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