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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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deduziert haben, bin ich nicht in besonderen Schwierigkeiten – abgesehen von den beruflichen, die Sie erwähnten«, fügte er mit einem kurzen Kopfnicken in Richtung der fehlenden Urkunden hinzu. »Und, wie Sie ebenfalls festgestellt haben, war die Methode, die Sie herbrachte, höchst unorthodox. Offenbar hatten wir keine Hoffnung, daß Sie aus eigenem Willen kommen würden. Sagt Ihnen das gar nichts?«
    »Daß ich es abgelehnt hätte zu kommen«, antwortete Holmes widerwillig.
    »So ist es. Und warum? Nicht, weil Sie glaubten, wir hätten böse Absichten. Ich könnte Ihnen übel gesonnen sein, oder Professor Moriarty, selbst – entschuldigen Sie – Dr. Watson. Aber Ihr Bruder? Ist es nicht unwahrscheinlich, daß wir uns alle gegen Sie verschworen haben? Zu welchem Zweck? Vielleicht nicht mit schlechten, sondern mit guten Intentionen? Haben Sie das schon bedacht?«
    »Und was wäre das?«
    »Können Sie es nicht erraten?«
    »Ich rate nie. Und denken kann ich mir nichts.«
    »Nein?« Freud lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Dann sind Sie nicht wirklich aufrichtig, Herr Holmes. Denn Sie leiden an einer widerwärtigen Sucht, und Sie ziehen es vor, Ihre Freunde anzuklagen, die sich zu Ihrem Beistand vereint haben, anstatt Ihre eigene Schuld zuzugeben. Sie enttäuschen mich, mein Herr. Ist das der Holmes, von dem ich gelesen habe? Ein Mann, den ich nicht nur wegen seiner Intelligenz, sondern auch seiner Noblesse, seines leidenschaftlichen Gerechtigkeitssinnes, seines Mitgefühls wegen bewundert habe? Ich kann nicht glauben, daß das Rauschgift Ihnen schon die Fähigkeit genommen hat, Ihr eigenes Problem zu erkennen. Ich kann nicht glauben, daß Sie nicht die eigene Heuchelei durchschauen, mit der Sie die Freunde verdammen, die aus Liebe und Besorgnis so viel auf sich genommen haben.«
    Ich merkte plötzlich, wie ich den Atem anhielt. In den vielen Jahren unserer Freundschaft hatte ich nie jemanden so mit Sherlock Holmes sprechen hören. Einen Moment lang befürchtete ich einen unglaublichen Wutausbruch von seiten meines bedauernswerten Freundes. Aber im Gegensatz zu Sigmund Freud hatte ich ihn unterschätzt.
    Wieder trat langes Schweigen ein. Holmes saß bewegungslos und mit gebeugtem Kopf. Der Doktor ließ ihn nicht aus den Augen. Es war totenstill im Zimmer.
    »Ich bekenne mich all dieser Dinge schuldig.« Als Holmes schließlich sprach, war seine Stimme fast unhörbar leise. Freud beugte sich nach vorne. »Ich weiß, es ist unverzeihlich«, fuhr mein Freund fort, »und daß Hilfe möglich ist, müssen Sie sich aus dem Kopf schlagen. Ich bin in den Krallen dieser schrecklichen Krankheit, und sie wird mich zerstören! Nein, versuchen Sie nicht, mir Trost zuzusprechen.« Er hob protestierend eine Hand und ließ sie hilflos wieder sinken. »Ich habe all meine Willenskraft aufgebracht, um die Gewohnheit zu bekämpfen, es hat zu nichts geführt. Und wenn es mir nicht gelingt, wie groß ist dann Ihre Chance? Wenn einer den ersten falschen Schritt getan hat, dann ist er für immer auf dem Weg in die Selbstzerstörung.«
    Mein Herz schien vor Mitgefühl zerspringen zu wollen. Schwer atmend, saß ich mit offenem Mund in meiner Ecke. Die Stille im Raum schien elektrisch geladen, und ich wagte nicht, sie zu brechen. Nicht so Dr. Freud.
    »Sie sind nicht unwiderruflich auf diesem Weg verloren«, erwiderte er mit ruhiger Eindringlichkeit. Seine Augen funkelten. »Ein Mann kann umkehren und den Weg verlassen. Aber er braucht dabei Hilfe. Der erste Schritt muß nicht endgültig sein.«
    »Er ist immer endgültig«, stöhnte Holmes mit einer Stimme, die mir das Herz im Leibe umdrehte. »Was Sie beschreiben, ist noch niemandem gelungen.«
    »Es ist mir gelungen«, sagte Sigmund Freud.
    »Ihnen?«
    Freud nickte.
    »Ich habe Kokain genommen und konnte mich aus seiner Macht befreien. Wenn Sie es mir erlauben, werde ich Ihnen helfen, das gleiche zu tun.«
    »Das können Sie nicht.« Er klang atemlos. Und obwohl er dem Doktor widersprach, konnte ich doch ganz deutlich hören, wie verzweifelt er zu hoffen wünschte.
    »Ich kann es.«
    »Wie?«
    »Es wird eine Weile dauern.« Der Doktor stand auf. »Für diesen Zeitraum werden ich Sie beide als meine Gäste hier unterbringen. Sind Sie damit einverstanden?«
    Holmes erhob sich automatisch und machte einen Schritt vorwärts, dann fuhr er plötzlich herum und schlug sich verzweifelt mit der Hand vor die Stirn.
    »Es ist sinnlos!« schrie er jammervoll. »Selbst jetzt überkommt mich

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