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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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kann.
    Bei unserem Eintritt fuhr er herum und starrte uns wild an.
    »Wo ist es?« kreischte er. »Was haben Sie damit getan?«
    Es bedurfte unserer beider Kräfte, um seiner Herr zu werden, und was folgte, war der Abstieg in eine Hölle, die tiefer und fürchterlicher war als der Abgrund von Reichenbach, den ich an anderer Stelle beschrieben habe.
    Manchmal war die Hypnose erfolgreich, manchmal nicht. Gelegentlich war sie nur mit Hilfe eines vorher eingenommenen Beruhigungsmittels zu erreichen, aber Freud versuchte, wenn irgend möglich, ohne Sedativa auszukommen.
    »Er darf nicht von Mitteln abhängig werden«, erklärte er einmal über einer hastigen Mahlzeit, die wir in seinem Arbeitszimmer einnahmen.
    Selbstverständlich mußte immer einer von uns Wache halten, damit Holmes, der für seine Handlungen nicht verantwortlich gemacht werden konnte, sich selbst oder anderen kein Leid zufügte. Er begann, uns alle zu hassen, auch Paula, die trotz der Furcht, die sie vor ihm empfand, ihre Aufgaben mit allen Anzeichen von Gutwilligkeit und Gleichmut erfüllte.
    Doktor Freud und die Mitglieder seines Haushalts nahmen sich Holmes’ Schmähungen, so verletzend sie sein mochten, nicht zu Herzen, aber mich trafen die endlosen Beschimpfungen tief. Ich hatte ihn einer solchen erniedrigenden Rhetorik nie für fähig gehalten. Kam ich in sein Zimmer, um ihm Gesellschaft zu leisten und auf ihn aufzupassen, so überhäufte er mich mit solchen Verwünschungen, daß die Erinnerung daran mich noch heute schmerzt. Er nannte mich einen Dummkopf, verfluchte sich selbst in alle Ewigkeit dafür, einen hirnlosen Krüppel um sich geduldet zu haben, und Schlimmeres. Wie ich diese Verhöhnungen und Beleidigungen ertrug, ist schwer zu sagen, aber ich verspürte kein Bedauern, als er am dritten Tag versuchte, aus dem Zimmer zu entkommen, und mir nichts anderes übrigblieb, als ihn niederzuschlagen. Ich gebe zu, daß der Schlag wegen der Wut, die sich in mir aufgestaut hatte, besonders heftig ausfiel. Er brach bewußtlos zusammen, ich rief entsetzt um Hilfe und schlug mir im wahrsten Sinne des Wortes schuldig auf die Brust, so sehr bereute ich meinen Mangel an Selbstbeherrschung.
    »Machen Sie sich keine Vorwürfe, Doktor.« Freud klopfte mir beruhigend auf die Schulter, nachdem wir Holmes zu Bett gelegt hatten. »Jede Stunde der Bewußtlosigkeit erhöht unsere Chancen. Sie haben mir eine Hypnose erspart, von der ich, nach dem, was Sie mir sagen, bezweifle, daß sie gewirkt hätte.«
    In dieser Nacht erwachte Holmes mit hohem Fieber und delirierte. Während Freud und ich an seinem Bett saßen und seine Hände hielten, phantasierte er von Austern, die die Welt erobern werden, und ähnlichem Unsinn. * Freud lauschte mit größter Aufmerksamkeit.
    »Ißt er gerne Austern?« fragte er mich, als für einen Moment Ruhe eintrat. Ich zuckte die Achseln, zu verwirrt, um ihm eine präzise Antwort zu geben.
    Während der Nacht wurden wir einmal von Paula und einmal von Frau Freud abgelöst. Sie war eine äußerst anziehende Frau. Ihre Augen waren dunkel und melancholisch wie die ihres Mannes, aber ihr Mund verriet Humor, Sensibilität und eine stille innere Kraft.
    Einmal entschuldigte ich mich bei ihr für die Ungelegenheiten und Störungen, die Holmes und ich ihrem Haushalt verursachten.
    »Ich habe Ihre Aufzeichnungen von Herrn Holmes’ Fällen gelesen«, erwiderte sie einfach. »Ihr Freund ist ein wertvoller und tapferer Mensch. Er braucht unsere Hilfe, ganz wie unser Freund sie brauchte.« Ich nahm an, daß sie dies auf den Unglücklichen bezog, den Freud im ›Lancet‹ erwähnt hatte. »Dieses Mal werden wir keinen Fehlschlag erleiden«, sagte sie bestimmt.
    Holmes’ Fieber und Delirium hielten noch drei Tage an, während derer es praktisch unmöglich war, ihm Nahrung einzuflößen. Selbst nach einer Ruhepause strengte es uns an, in seiner Nähe zu sein, denn es war einfach enervierend, seine konvulsiven Anfälle zu beobachten. Seine Zuckungen und Krämpfe waren so alarmierend, daß ich einen Ausbruch von Gehirnfieber vermutete. Als ich das Freud gegenüber erwähnte, schüttelte er den Kopf.
    »Diese Symptome sind äußerst ähnlich«, stimmte er zu, »aber ich glaube nicht, daß wir Gehirnfieber zu befürchten haben. Was wir mit ansehen, ist die letzte Phase der Rauschgiftsucht. Sie wird aus seinem Körper ausgemerzt. Wenn er das überlebt, hat er den entscheidenden Punkt auf dem Weg zur Gesundung erreicht.«
    »Überlebt?«
    »Es sind Menschen

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