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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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daran gestorben«, antwortete er kurz.
    Ich saß neben dem Bett und sah hilflos den entsetzlichen, von Schreien begleiteten Krämpfen zu, deren kurze Unterbrechungen nichts anderem zu dienen schienen, als neue Energien für die nächsten Anfälle zu sammeln. Gegen Mitternacht bestand Dr. Freud darauf, daß ich mich etwas ausruhen müsse. Ich würde sonst, so sagte er, meinem Freund in seiner schwersten Stunde nicht beistehen können. Widerwillig ging ich in mein Zimmer.
    An Schlaf war nicht zu denken. Auch wenn ich nicht die durchdringenden Schreie meines Freundes durch die Wand gehört hätte – das Bewußtsein, daß er sich quälte, genügte, mich wach zu halten. War es die Sache wert? Gab es keinen anderen Weg, ihn zu retten, als diese entsetzliche Prüfung, die ihn vielleicht töten würde? Ich bin kein Mann von Gebeten, und ich war mir über die Unaufrichtigkeit meiner Geste im klaren, dennoch kniete ich nieder, warf mich vor dem Schöpfer aller Dinge – wer immer er sein mochte – in den Staub und flehte ihn in den demütigsten Worten an, meinen Freund zu verschonen. Ich kann nicht sagen, was für eine Wirkung meine Gebete auf Holmes’ Zustand hatten; mir verhalfen sie zu einem unruhigen Schlaf.
    Vier Tage nach dem Ausbrechen des Fiebers erwachte Sherlock Holmes scheinbar ruhig und mit normaler Temperatur.
    Als ich sein Zimmer betrat, um Paulas Stelle einzunehmen, blickte er mich sanft und ermattet an.
    »Watson?« fragte er mit schwacher, beinahe unkenntlicher Stimme. »Sind Sie es?«
    Ich bejahte, rückte mir einen Stuhl ans Bett, untersuchte ihn und sagte ihm, daß das Fieber vorüber sei.
    »Ach ja?« sagte er teilnahmslos.
    »Ja, Sie sind auf dem Weg der Genesung, mein Lieber.«
    »Oh.«
    Er fuhr fort, mit einem leeren Blick auf mich, oder vielmehr an mir vorbeizustarren. Er schien nicht zu wissen, wo er war, und es schien ihn auch nicht zu interessieren.
    Er erhob keinen Einspruch, als ich seinen Puls fühlte, der unendlich schwach, aber regelmäßig war; er akzeptierte auch das Tablett, das Frau Freud selbst ihm hinaufbrachte. Er aß wenig und nicht ohne gutes Zureden. Offensichtlich wollte er jedoch etwas zu sich nehmen, mußte aber immer wieder an die Speisen vor ihm erinnert werden. Diese Lethargie schien mir nach den gewaltsamen Ausbrüchen und Delirien unheimlicher als alles Vorangegangene.
    Auch Freud gefiel es nicht, als er von seinen Visiten zurückkehrte und seinen Hauspatienten untersuchte. Er runzelte die Stirn und trat ans Fenster, durch das man die Türme des Stephansdomes sehen konnte – eine Aussicht, die ihm übrigens von Herzen verhaßt war. Ich streichelte beruhigend Holmes’ Hand und ging zu Freud hinüber.
    »Nun?«
    »Es sieht so aus, als habe er die Sucht überwunden«, sagte Freud in sachlichem Ton. »Sie kann allerdings zurückkehren. Das ist der Fluch der Rauschgiftsucht. Es würde mich interessieren«, fügte er hinzu, als sei es nicht weiter wichtig, »was ihn zum Einnehmen von Kokain verleitet hat.«
    »Er hat es genommen, solange ich ihn kenne«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Er sagt, aus Langeweile, aus Mangel an Aktivität.«
    Freud wandte sich um und lächelte mich an; es war dasselbe weise und verständnisvolle Lächeln, das mir bei unserer ersten Begegnung aufgefallen war.
    »Aus solchen Gründen zerstört sich ein Mann nicht selbst«, sagte er leise. »Dennoch –«
    »Was beunruhigt Sie so?« fragte ich mit mühsam beherrschter Stimme. »Sie sagen doch, wir hätten ihm den Feind entrissen.«
    »Vorübergehend«, wiederholte Freud und blickte wieder aus dem Fenster, »aber wir scheinen ihm auch seine Lebensgeister entrissen zu haben. Ein altes Sprichwort sagt, die Kur sei manchmal tödlicher als die Krankheit.«
    »Aber was konnten wir tun?« rief ich aus. »Hätten wir ihm erlauben sollen, sich selbst zu vergiften?«
    Freud wandte sich wieder um und legte einen Finger an die Lippen.
    »Ich weiß.« Er klopfte mir auf die Schulter und ging zum Patienten zurück.
    »Wie fühlen Sie sich?« fragte er meinen Freund mit einem sanften Lächeln. Holmes sah zu ihm auf, dann verschleierten sich seine Augen und starrten ins Nichts.
    »Nicht gut.«
    »Erinnern Sie sich an Professor Moriarty?«
    »Meinen bösen Genius?« Ein schwaches Lächeln spielte um seinen Mundwinkel.
    »Was denken Sie über ihn?«
    »Ich weiß, was Sie von mir hören wollen, Doktor. Gut. Ich will Ihnen den Gefallen tun: Professor Moriarty hat nur einmal die Rolle des bösen Genius in meinem

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