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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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hörte ich, wie einer sich vor Lachen an seinem Bier verschluckte.
    » Juden im Maumberg! Ich muß schon sagen, die sind aber auf den Hund gekommen, seit ich das letztemal hier war.«
    Freud, der vor mir ging, hielt an und musterte den jungen Mann, der vorgab, sich mit seinem Freund zu unterhalten, obwohl beide kaum ihr Kichern unterdrücken konnten. Als er sich schließlich mit unverhohlener Neugierde doch noch nach uns umwandte, erschrak ich beim Anblick seiner Züge. Eine abscheuliche, fahle Säbelwunde auf seiner linken Wange gab seinen hübschen, aber harten Zügen etwas Unheimliches. Sein ganzes Gesicht wirkte durch diese häßliche Wunde bösartig, und die eiskalten, starren Augen gaben ihm den unangenehmen Ausdruck eines großen Rabenvogels. Er war noch keine dreißig, aber die Bosheit in diesem Gesicht war alterslos.
    »Haben Sie soeben mich gemeint?« fragte Freud mit ruhiger Stimme, indem er ein paar Schritte vorwärts tat.
    »Wie beliebt?« Es klang unschuldig, und der grausame Mund des jungen Mannes verzog sich zu einem Lächeln. Aber die Augen blieben ausdruckslos.
    »Es dürfte Sie interessieren, mein Herr, daß die Anzahl jüdischer Mitglieder in diesem Club auf ein Drittel angestiegen ist seit Ihrem letzten Hiersein, das, von Ihrer gänzlichen Unkenntnis der hiesigen Sitten und Bräuche zu schließen, nie stattgefunden hat.« Er drehte sich auf dem Absatz um und ging. Amüsiertes Lachen folgte ihm. Der junge Mann mit der Narbe lief dunkelrot an, und er lauschte, den Blick auf Freud gerichtet, mit geneigtem Kopf, dem Flüstern seines Begleiters.
    »Dr. Freud, sind Sie das?« rief er plötzlich hinter ihm her. »Nicht der Dr. Freud, der aus dem Allgemeinen Krankenhaus flog, weil er behauptete, junge Männer schliefen mit ihren Müttern? Haben Sie selbst mit Ihrer Mutter geschlafen, Doktor?«
    Der Doktor erbleichte, dann drehte er sich um und fixierte seinen Quälgeist.
    »Sie sind absurd«, erwiderte er kurz und wandte sich erneut zum Gehen. Er hatte wohl zum zweitenmal einen wunden Punkt getroffen. Der Biertrinker sprang auf und zerschmetterte wütend sein Glas auf dem Boden.
    »Ich fordere Sie, mein Herr!« schrie er mit zornbebender Stimme. »Meine Sekundanten werden Sie aufsuchen.«
    Freud musterte ihn von oben bis unten, ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
    »Aber, aber«, sagte er milde, »Sie wissen doch, daß ein Herr sich nicht mit einem Juden schlägt. Haben Sie denn gar keinen Sinn für Etikette?«
    »Sie lehnen ab? Wissen Sie, wer ich bin?«
    »Nein, und es interessiert mich auch nicht. Aber wenn Sie wollen«, fuhr er fort, bevor der andere protestierten konnte, »schlage ich mich mit Ihnen im Tennis. Würde das Ihr Ehrgefühl befriedigen?«
    An diesem Punkt wollten einige der Freunde des jungen Mannes sich einmischen, aber er stieß sie heftig beiseite. Er ließ seinen Blick nicht von Freud, der gelassen seine Stiefel auszog und seinen Tennisschläger an sich nahm.
    »Sehr gut, Doktor . Ich erwarte Sie auf dem Platz.«
    »Ich werde Sie nicht warten lassen«, antwortete Freud, ohne aufzusehen.
    Die Kunde von dem bevorstehenden Spiel hatte offensichtlich im Club die Runde gemacht, bevor wir uns unter den riesigen Oberlichtern versammelten. Der junge Mann mit der Narbe und seine Anhänger waren bereits dort. Letztere untersuchten die Tennisbälle so sorgfältig, als handle es sich um Kanonenkugeln.
    »Erscheint Ihnen das alles denn nicht grotesk?« versuchte ich Freud zurückzuhalten, als wir die Treppe hinaufstiegen.
    »Absolut grotesk«, erwiderte er ohne Zögern, »aber weniger grotesk als die Säbelei.«
    »Haben Sie keine Angst – zu verlieren?«
    »Mein lieber Doktor, es ist nur ein Spiel.«
    Für Freud mochte es ein Spiel sein, aber für seinen Gegner war es bitterer Ernst, und er zeigte das von Anfang an. Er war größer, stärker und in sehr viel besserer Form als der Arzt, und beide waren sich dessen bewußt. Er plazierte seine Bälle weit und mit bemerkenswerter Präzision, während Freud sie, so gut er konnte, zurückschlug. Mißlang es ihm, schien ihn das nicht im geringsten zu stören. Auf diese Weise verlor er die ersten beiden Spiele und gewann nur zwei Punkte.
    Im dritten Spiel war er etwas besser und erreichte Ausgleich, bevor er den Punkt abgab. Als das Spiel zum Seitenwechsel unterbrochen wurde, brachte ich ihm Wasser.
    »Sie machen sich«, sagte ich ermunternd und reichte ihm den Schwamm.
    »Warten Sie ab«, er fuhr mit dem nassen Schwamm über seinen Nacken.

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