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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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während er beim Sprechen die Alternativen erwog, »aber offensichtlich hat er der bayerischen Polizei diesen Teil der Geschichte nicht erzählt.«
    »Dann wurde also das Verschwinden des Dienstmädchens der Polizei noch in der Nacht mitgeteilt, in der der Baron starb?« erkundigte ich mich.
    »Oder am nächsten Morgen. Das würde mich nicht überraschen«, erwiderte mein Freund. »Unser Mann hat wohl das Kartenspiel von den Amerikanern gelernt.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Daß er immer einen Trumpf in Reserve hat. Die Frage ist jetzt –« Er wurde von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. Paula schaute herein und verkündete, es sei ein Bote vom Allgemeinen Krankenhaus mit einer Nachricht für Dr. Freud da.
    Sie hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als Holmes mit einem Schrei aufsprang und sich mit der Hand vor den Kopf schlug.
    »Sie ist fort!« rief er gellend: »Narr, der ich bin! Ich schwatze hier und bilde mir ein, sie zögern!«
    Er stürzte an dem verblüfften Mädchen vorbei aus dem Zimmer und warf sich in der Eingangshalle auf den ahnungslosen Boten, den er mit beiden Händen am Revers packte.
    »Sie ist fort, nicht wahr? Dr. Freuds Patientin ist fort?«
    Der Mann konnte vor Schreck nicht antworten und nickte nur dumpf. Er war nur dazu da, die Botschaft zu überbringen, von ihrer Tragweite hatte er keine Vorstellung. Er übergab ein kurzes Schreiben von Dr. Schultz, in dem dieser sich nach dem Ergehen der Patientin erkundigte und gleichzeitig gegen ihren regelwidrigen Abtransport aus dem Krankenhaus protestierte. Er habe, so schrieb er, keine Gelegenheit erhalten, sie vor ihrer Entlassung zu untersuchen, und deutete an, daß er die Angelegenheit Meynert gegenüber erwähnen werde.
    »Waren Sie dort, als man sie holte?« fragte Holmes den Boten, während er hastig seinen Mantel überwarf. Der Mann schüttelte den Kopf.
    »Dann bringen Sie uns zu dem diensthabenden Pfleger«, ordnete er an und stülpte sich die Reisemütze mit den Ohrenklappen auf den Kopf. »Beeilung, meine Herren«, rief er über die Schulter, »wir haben keinen Moment zu verlieren. Zwar befindet sich am einen Ende unserer Spur nur eine geistesgestörte Frau, aber am anderen droht eine europäische Feuersbrunst!«

KAPITEL VIERZEHN

    Wir nehmen an einem Begräbnis teil

    Die Droschke schoß durch den Nachmittagsverkehr zurück ins Krankenhaus. Niemand sprach, nur Holmes trieb gelegentlich den Fahrer zur Eile an. Jeder war in seine eigenen Gedanken versunken. Der Krankenwärter sah von einem zum anderen und fragte sich offensichtlich, was, zum Teufel, hier vorging. Er fuhr jedesmal zusammen, wenn unsere Droschke Straßenbahnen überholte und Straßenhändler zwang, sich mit einem Sprung auf den Bürgersteig zu retten. Sigmund Freuds breite Stirn furchte sich gedankenvoll, während sich Holmes in deprimiertem Schweigen nach vorne beugte und sich etwa alle dreißig Sekunden dazu aufraffte, den Fahrer anzufeuern.
    Einmal kamen wir vollkommen zum Stillstand. Die Straße wurde von einem Trupp ungarischer Wachsoldaten auf ihrem Weg zur Hofburg versperrt. Holmes besah sich das Hindernis mit finsteren Blicken, dann sank er seufzend zurück.
    »Es ist sinnlos«, verkündete er auf einmal. »Sie ist verloren, und wir sind geschlagen.« Er knirschte vor Wut mit den Zähnen, und seine Augen waren schmerzerfüllt.
    »Warum?« fragte Freud.
    »Weil er sie bei der ersten Gelegenheit umbringen wird, die sich ihm bietet.« Er zog seine Uhr heraus und starrte sie gramvoll an, während ich aus dem Augenwinkel einen Blick auf den entsetzten Krankenwärter warf. »Und jetzt ist es sicher schon passiert, Watson«, sagte er zu mir gewandt. »Sie hätten mich besser dem Kokain überlassen. Ich bin zu nichts mehr nütze.«
    »Gestatten Sie, daß ich Ihnen in beiden Fällen widerspreche«, warf Freud ein, bevor ich eine Antwort geben konnte, »aber ich glaube nicht, daß die Dame in Lebensgefahr ist. Fahren Sie zu, Kutscher!« rief er, nachdem die Garde vorbeimarschiert war. Holmes sah ihn kurz an, sagte aber nichts. Der Wagen rollte vorwärts und beschleunigte die Fahrt.
    »Sie müssen mir meine eigenen Schlußfolgerungen zugestehen«, fuhr Freud fort. »Mit denselben Methoden, die ich bei der Beurteilung des Kaisers anwende, komme ich zu dem Ergebnis, daß die Baronin in großer Gefahr schwebt, ich glaube aber nicht, daß ihr Stiefsohn sie jetzt, da sie wieder in seinen Händen ist, beseitigen wird.«
    »Warum nicht?« Holmes klang nicht sonderlich

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