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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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niedergeschlagen. »Wir sind zu spät gekommen.« Er blickte verstimmt umher.
    »Ich hoffe, daß Sie damit nicht uns meinen«, sagte der Wachtmeister besorgt. »Wir sind sofort gekommen, als man uns benachrichtigt hat.«
    »Nein, nein, es nicht Ihre Schuld, obwohl ich sagen muß, daß Ihre Männer das Gelände schlimm zugerichtet haben. Es sieht aus, als sei ein Trupp Ulanen darüber marschiert. Immerhin, wir werden einen Blick darauf werden.« Damit begann er, an der Seite des eifrigen Wachtmeisters, den Hügel zum Haus hinaufzusteigen.
    »Herr Holmes, Ihr Name ist uns wohlbekannt, und ich habe Order vom Präfekten, mich mit meinen Leuten zu Ihrer Verfügung zu halten.«
    »Wirklich?« Holmes stand verwundert still. »Es ist ein Jammer, daß man bei Scotland Yard nicht die Ansichten Ihres Präfekten teilt«, fügte er hinzu und begann, weiterzugehen. Seine Augen ruhten auf dem schlammbedeckten Rasen. Ich hörte ihn etwas darüber murmeln, daß der Prophet nichts im eigenen Land gelte.
    Freud wollte ihm folgen, aber ich hielt ihn am Arm zurück und erklärte ihm mit gedämpfter Stimme, daß wir in dieser Situation Holmes nur im Wege sein würden. Er nickte und blieb, wo er war.
    Holmes’ Inspektion des Hauses beschränkte sich auf eine eilige Untersuchung des Geländes um die Wageneinfahrt, unter der er, manchmal Kreise beschreibend, hin- und hertrottete, wobei er spitze Schreie ausstieß, die jeweils Befriedigung, Neugier oder Mißfallen verrieten. In solchen Momenten glich er auffallend einem Jagdhund; seine lebhaften Züge, vor allem die Adlernase, die vorgeneigte Körperhaltung und der trottende Gang gaben ihm das Aussehen eines Hundes, der einer Spur folgt. Wäre nicht das Vergrößerungsglas gewesen, das er hervorgezogen hatte, um die Erde zu untersuchen, dann hätte er mich stark an den eifrig schnüffelnden Toby erinnert.
    Dr. Freud, der Wachtmeister und die übrigen Polizisten beobachteten die Vorgänge mit unterschiedlichen Ausdrücken des Erstaunens; Freud mit der großen Anteilnahme, die er für jede Facette von Holmes’ Persönlichkeit zeigte; der Wachtmeister mit skeptischem beruflichem Interesse, wie einer, der gerne von einem Meister der Profession etwas lernen möchte, aber nicht recht glauben kann, daß ein so bizarres Benehmen zu irgend etwas anderem dient, als die Umstehenden zu beeindrucken; seine Untergebenen mit unverhohlenem Zweifel. Wenn sie überhaupt von Holmes wußten, dann nur vom Hörensagen, und diese Vorführung entbehrte für sie jeglicher Bedeutung. Sie betrachteten es wohl als reine Angeberei. Ich hätte sie eines Besseren belehren können; Holmes neigte gelegentlich durchaus zu affektiertem Benehmen, aber im Augenblick konnte davon überhaupt keine Rede sein.
    Plötzlich neigte er sich aufgeregt über irgend etwas auf dem Boden. Er warf sich nieder und blieb für einige Augenblicke liegen, dann stand er auf und kam in großer Eile den Hügel herunter.
    »Alle Anzeichen sprechen dafür, daß die Frau in einem Schiffskoffer aus dem Land geschmuggelt wird.«
    Der Wachtmeister war sprachlos vor Entsetzen über Holmes’ Methoden, aber ich, der ich ihre präzisen Ergebnisse kannte, zog sie nicht in Zweifel.
    »Aber Holmes, wohin bringt er sie?«
    »Wohin?« Er überlegte, dann schnalzte er mit den Fingern.
    »Nach Bayern natürlich! Einmal über die Grenze, ist er so sicher wie der Kaiser in Schloß Schönbrunn. Verdammt!« Letzteres bezog sich auf den abgekämpften Zustand unserer Droschkenpferde.
    »Kommen Sie, Watson!« rief er und rannte die Einfahrt hinunter. »Wir müssen eine andere Beförderung zum nächsten Bahnhof finden!«
    Freud, der Wachtmeister und ich – dicht gefolgt von den verwirrten Polizisten – rasten hinter Holmes durch das Gartentor und in die friedliche Straße.
    Beinahe wären wir an der Ecke mit ihm zusammengestoßen, denn er war, mit wild flatternder Pelerine, plötzlich zum Stillstand gekommen. Vom anderen Straßenende näherte sich in angemessenem Tempo eine prunkvolle Begräbnisprozession – Leichenwagen, Pferde, Droschken und viele Trauernde zu Fuß, alle in Schwarz gekleidet. Wahrscheinlich war der Tod irgendeines Angehörigen des Hochadels oder eines reichen Geschäftsmannes der Anlaß zu dem feierlichen Schauspiel. Holmes’ Augen leuchteten bei dem trübsinnigen Anblick auf, und er machte einen Satz nach vorne.
    » Holmes! «
    Er hörte nicht auf uns. Mit den Polizisten, Dr. Freud und mir im Schlepptau sprintete er auf die gewaltige, schwarze

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