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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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mir bekannt wären.«
    »Aber –«, platzte der frustrierte Mann heraus, »sie haben behauptet, Sie hätten sie hergeschickt.« Und er sah Freud an, als käme auch dieser für einen Daueraufenthalt in Betracht.
    Einen Moment lang starrten wir einander verblüfft an. Dann begann Holmes, anerkennend zu lachen.
    »Wie clever und wie unverschämt!« rief er kopfschüttelnd. »Ich selbst habe ihnen heute morgen in der Wallensteinstraße die Idee eingegeben – und sie wissen lassen, wo ihr Flüchtling zu finden war. Und jetzt, mein guter Mann, her mit der Beschreibung.«
    »Also –«, der Pförtner erging sich in vagen Erinnerungen an zwei Männer, der eine klein, cholerisch, mit durchtriebenen Augen, der andere groß, würdevoll und unbewegt.
    »Das muß der Butler sein«, unterbrach ihn Holmes. »Doktor« sagte er zu Freud, »Sie hinterlassen am besten eine Nachricht für die Polizei. Wir werden sie brauchen, bevor wir die Sache hinter uns gebracht haben. Weisen Sie darauf hin, daß eine Frau aus diesem Krankenhaus entführt worden ist, und hinterlassen Sie die Adresse in der Wallensteinstraße. Dahin machen wir uns jetzt auf.«
    Freud nickte und wollte sich gerade an den Pförtner wenden, als uns zur Abwechslung das Schicksal einmal hold war, und zwar in Gestalt des Dr. Schultz, der eilig auf uns zukam.
    »Ah, Dr. Freud«, begann er affektiert, »ich würde sehr gerne ein paar Worte mit Ihnen wechseln –«
    »Ganz meinerseits«, unterbrach ihn Freud und teilte ihm das Vorgefallene mit, wobei er, wie Holmes vorgeschlagen hatte, einige zwar wesentliche, aber unwahrscheinliche Einzelheiten ausließ. Er beschrieb die Baronin in ihrer Rolle als Kammerjungfer und berichtete von ihrer Entführung.
    »Rufen Sie so schnell wie möglich die Polizei«, schärfte er dem entsetzten Chirurgen ein, während er die Leinsdorfsche Adresse auf den Rand des Empfangsregisters kritzelte.
    Ohne eine Erwiderung abzuwarten, rasten wir zu unserer Droschke und sprangen auf.
    »Wallensteinstraße sechsundsiebzig!« schrie Holmes. »Und fahren Sie so schnell, als würde es um Ihr Leben gehen!«
    Der Mann brummte, daß er bei einem vernünftigen Tempo bessere Lebenschancen hätte, aber er schnalzte gehorsam mit den Zügeln, und wieder waren wir unterwegs. Ich glaube, wenn die Droschke den Raum dafür geboten hätte, wäre Holmes in ihr auf und abgegangen. Unter den Umständen mußte er sich jedoch darauf beschränken, an seinen Fingerknöcheln zu nagen.
    »Haben Sie Ihren Revolver dabei, Watson?« fragte er mich. Ich versicherte ihm, daß ich die Waffe bei unserem Aufbruch in die Tasche gesteckt hatte. Er nickte anerkennend. »Er hat natürlich nicht mit Dr. Freuds Argumentation gerechnet, das heißt, er glaubte sich selbst in Sicherheit. Er handelt unter der Voraussetzung, daß wir annehmen, er werde die Frau so schnell wie möglich ermorden und ihre Leiche beseitigen. Vielleicht vermutet er uns noch nicht einmal auf seiner Spur –«, aber es klang nicht, als sei er wirklich davon überzeugt, und er verstummte, die Knöchel zwischen den Zähnen.
    »Würde er so unklug sein?« überlegte ich, indem ich seinen Faden aufnahm. »Ich glaube nicht, daß sie in der Villa ist.«
    »Ich fürchte, Sie haben recht«, gab er unwillig zu. »Aber wohin, wohin , kann er sie bringen?« Wieder verfiel er für einen Moment in nachdenkliches Schweigen. »Er weiß, daß er verfolgt werden wird, ganz gleich, ob wir ihm nun direkt auf den Fersen sind oder nicht. Er wird Auskunft geben müssen, wenn er –«, er brach wieder ab, und ich wußte aus Erfahrung, daß er jetzt versuchte, sich in die Lage des listigen jungen Barons zu versetzen, und unter Verwendung des Charakterbildes, das Freud so geschickt entworfen hatte, darüber nachdachte, wie er handeln würde, hätte das Schicksal ihm die Rolle des wahnsinnigen Aristokraten zugedacht.
    Wir bogen mit schweißbedeckten Pferden in die Wallensteinstraße 76 ein und fanden dort die Polizei, die ziellos das Gelände patrouillierte. Von Dr. Schultzens Telefonanruf alarmiert, waren sie mit einem Automobil vorgefahren. Ein großer, gerade gewachsener Wachtmeister mit weißblondem Haar und wachen blauen Augen führte das Kommando. Er kam eilig auf uns zu und wendete sich mit einem zackigen Gruß an meinen Freund.
    »Herr Holmes? Wir sind soeben eingetroffen, aber das Haus ist verschlossen und scheint leer zu sein.« Sein Englisch war hölzern, aber brauchbar.
    »Wie ich mir dachte«, seufzte der Detektiv

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