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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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anvertrauen, als Holmes von hinten in den Tender kletterte und einen Haufen Vorhänge und anderes Brennmaterial auf den Boden warf.
    »Nehmen Sie das«, instruierte er uns, »ich bringe mehr.«
    Womit er wieder aus dem Tender verschwand.
    Es wäre sicher lehrreich – und sogar belustigend –, im einzelnen zu beschreiben, wie wir den unglückseligen Wagen auseinandernahmen und ihn verbrannten. Stück für Stück, Sitz für Sitz, Fensterrahmen für Fensterrahmen, Tür für Tür. Es wäre interessant, aber eine solch ausgedehnte Abschweifung wäre hier nicht angemessen.
    Es genügt zu sagen, daß wir alle daran mitwirkten außer dem Fahrer, der sich standhaft weigerte und uns vorwarf, Eigentum der Eisenbahn zu beschädigen. Der Stationsvorsteher bedachte ihn mit einem sehr eindrucksvoll klingenden deutschen Fluch, von dessen Inhalt ich nur soviel verstand, daß er sich in irgendeiner Weise auf des Mannes Mutter bezog, dann nahm er eine Axt aus der Nische über der Plakette und begann, mit gutem Beispiel voranzugehen und den Wagen zu bearbeiten.
    Während wir auf unserer wilden Jagd durch die Nacht rasten, verschwand der Wagen Stück für Stück, und unsere Geschwindigkeit ließ nicht nach. Wir hielten nur an, um die Weichen zu stellen, die für unsere Umgehungsroute nötig waren, und einmal, gegen fünf Uhr morgens, hielten wir auf Anweisung des Lokomotivführers in Ebensee, um Wasser aufzunehmen. Das dauerte einige Minuten, und eine Masse Dampf stieg unter Pfeifen und Funkensprühen in die frühe Morgenluft, aber der Lokomotivführer schien sehr erleichtert. Wir eilten weiter und erbauten uns an den Versicherungen des Stationsvorstehers, daß der Baron auf dem großen Bahnhof von Linz sicher schlimmere Widrigkeiten durchzustehen hatte.
    Morgenlicht brach durch die Wolken und leuchtete in roten und orangefarbenen Streifen, als wir die letzten Weichen in Bad Ischl stellten. Ein paar verblüffte Eisenbahner starrten uns an und schrien uns nach, während wir durch den Bahnhof rasten. Ich lehnte aus dem Fenster und sah sie wie die Ameisen in ein Dutzend verschiedene Richtungen rennen.
    »Sie werden zur nächsten Station telegraphieren«, prophezeite ich.
    Der Stationsvorsteher nickte heftig und breitete hilflos die Hände aus.
    »Das Risiko müssen wir auf uns nehmen«, entschied Holmes, »es bleibt uns nichts anderes übrig. Fahren Sie zu!«
    Und wir schossen weiter voran, während hinter uns die Sonne aufging und einige liebliche Seen zu unserer Rechten in ihren Strahlen glitzerten. Die Landschaft war genau so prächtig, wie ich sie auf unserem Hinweg nach Wien gefunden hatte, nur war keine Zeit, sie zu bewundern.
    Denn jetzt saß ich nicht müßig in einem komfortablen Abteil und bewunderte voll philosophischer Gedanken die schneebedeckten Gipfel durch das Fenster, nein, ich war im Begriff, ein ganz ähnliches Fenster zu demolieren, während Holmes mit einigen Werkzeugen auf dem Dach des Waggons stand, das er Stück für Stück auseinandernahm und durch ein Loch in den Gang darunter warf. Hier wurde es von Dr. Freud eingesammelt und in den Tender gebracht, von wo aus der Stationsvorsteher es auf unser immer noch brennendes Feuer warf.
    Die Stadt Salzburg war jetzt klar zu sehen, und ich brachte eben eine neue Ladung zu dem Trümmerhaufen im Korridor, als uns Schreie des Lokomotivführers und des Stationsvorstehers nach vorne lockten.
    Wunder über Wunder! Noch keine drei Meilen entfernt sahen wir einen Zug mit Lokomotive, einem Tender und drei Wagen in südwestlicher Richtung fahren.
    »Da sind sie!« rief Holmes begeistert und mit strahlenden Augen. »Berger, Sie sind ein Genie!«
    Er umarmte aufgeregt den erstaunten Stationsvorsteher, dann hielt er inne und beobachtete, wie der Zug ein oder zwei Meilen vor uns auf die Strecke nach Salzburg einbog. Wenn der Baron und seine Begleiter unseren Zug gesehen hatten oder irgendeinen Verdacht hegten, dann gaben sie es nicht zu erkennen. Nach einer weiteren Meile mußten wir anhalten und das letzte Paar Weichen wechseln, um uns unmittelbar an die Fersen des Barons zu heften.

KAPITEL SECHZEHN

    Was dann geschah

    »Jetzt brauchen wir allen verfügbaren Dampf«, befahl Holmes und gebrauchte die Hände als Sprachrohr. »Und keine Sorgen mehr wegen der Weichen. Die sind alle schon für den Zug des Barons umgestellt worden. Wir müssen ihrer habhaft werden, bevor sie die Grenze an der Salzach erreichen.«
    Kurz zuvor noch waren wir alle bis zum Zusammenbrechen erschöpft

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