Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)
William Wilde«, versicherte sich Holmes.
»Der Doktor, die beiden Söhne, die Frau und ihr Sohn.«
»Wer war diese Frau?«
»Ihr Sohn unterrichtete an der Schule, auch ihn brachte sie mit. Einen blassen Streber.«
»Also ein Lehrer und seine Mutter. Sie hatten den Eindruck, Doktor Wilde und die Frau kannten einander?«
»Und ob, und ob. Da wurden glühende Blicke getauscht, die die jungen Männer zu boshaften Bemerkungen anregten. Der Lehrer beteiligte sich nicht an diesen Scherzen. Er saß wie eine bleiche Statue am Tisch.«
»Sie erinnern sich an den Namen der Frau?«
»Natürlich. Sie hieß Elena.«
»Elena Moriarty?«, fragte Holmes.
»Das könnte sein. Ein fremder Name ...«
KAPITEL 7
Es war mühsam, aber Sherlock Holmes kam voran in seiner Suche nach den Verbindungen der Familie Wilde mit Professor Moriarty. Sir William Wilde hatte den jungen Lehrer und dessen Mutter in die Taverne mitgenommen. Sein Interesse hatte weniger dem Sohn als der attraktiven Frau gegolten. Ein Umstand, der auch auf den alten Wirt zutraf.
Wenn er dieses neue Wissen mit dem verband, was er von Lady Wilde und ihrem Sohn erfahren hatte, entstand für Holmes das Bild einer Familie, die dem Zirkusmilieu entstammte, war doch der Großvater als Rechenkünstler in der Manege aufgetreten.
Es gab also einige Anhaltspunkte, die Holmes durch zielgerichtete Gespräche Schritt um Schritt vertiefen wollte, und zwar zunächst mit dem alten Direktor der Schule.
Dr. Steele wohnte im Haus seiner Tochter Dorrit Biggs am Drumlar Park. Ihr Ehemann Richard, der aus Galway stammte, war der neue Headmaster an der Schule ihres Vaters.
Die Frau begrüßte den Detektiv mit einer Tasse Tee und Selbstgebackenem und entschuldigte sich für ihren Vater, der nach zwei Schlaganfällen nur mehr schwer zu verstehen war. Auch schien sein Geist so verwirrt zu sein, dass er Vergangenheit und Gegenwart vermischte.
Jeden Morgen bestand er darauf, in den Dienstanzug zu schlüpfen. Er wollte wieder in seine Schule gehen, um nach dem Rechten zu sehen. Also half ihm die Tochter beim Ankleiden. Während des Frühstücks jedoch, wenn er seinem Nachfolger in Form des Schwiegersohnes gegenübersaß, besann er sich, sank traurig in sich zusammen und quälte sich die Treppe hoch, zurück in sein Mansardenzimmer. Und das jeden Morgen, die letzten drei Jahre.
Mrs. Biggs führte Sherlock Holmes die teppichbelegte Treppe hoch in die Räumlichkeiten ihres Vaters und kündigte durch Klopfen den Besuch an, den sie schon beim Frühstück erwähnt hatte. William Steele saß tadellos gekleidet an seinem Schreibtisch, von dem er sich erhob, um den Gast willkommen zu heißen.
»Sherlock Holmes. Detektiv aus London«, stellte sich Holmes unter seinem richtigen Namen vor.
»Ich habe von Ihnen gelesen. Ich hoffe, Sie hatten eine gute Reise. Was führt Sie zu mir?«, fragte der alte Schuldirektor, um deutliche Aussprache bemüht. Seine Fähigkeit zu reden hatte durch seine Erkrankung gelitten und etwas Mechanisches angenommen. Er musste sich immer wieder mit einem Taschentuch Speichel aus den Mundwinkeln wischen.
»Ich komme wegen einem Ihrer Lehrer. James Moriarty.«
»Moriarty, ja, natürlich. Ein begabter junger Mann, dessen Talent hoffen ließ. Warum interessieren Sie sich für ihn?«
»Er hat, wie Sie richtig sagen, großes Talent, das er aber nicht immer auf positive Weise einsetzt.«
»Das ist die Mutter. Eine böse Frau«, erinnerte sich der Alte. »Er selbst ist nicht das Problem. Es ist die Mutter.«
»Damals, Vater«, nahm nun auch Mrs. Biggs am Gespräch teil. »Seither sind dreißig Jahre vergangen.«
»Ja, Frederick starb 1862. Beinahe dreißig Jahre sind seitdem vergangen. Und ein halbes Jahr später folgte ihm deine Mutter«, sagte der Mann mit angespannter Stimme.
»Ich weiß.« Dorrit Biggs bedeutete Sherlock Holmes, ruhig zu sein. Die Erinnerung an den Verlust dieser Menschen erschütterte ihren Vater so sehr, dass er am ganzen Leib zitterte. Vorsichtig versuchte die Tochter, die Aufmerksamkeit des Mannes wieder auf ein anderes Thema zu bringen. »Aber wir sprachen von deinem ehemaligen Lehrer Moriarty. Du sagtest, dass er begabt war.«
»Aber zu abhängig von dieser Frau«, beharrte der alte Mann. »Ein junger Mann muss sich von seiner Mutter lösen oder er verdirbt. Und das haben die Schüler richtig erkannt. Sie haben sich nur im Ton vergriffen, in der Wahl der Mittel.«
»Wie meinen Sie das, Doktor?«, fragte Sherlock
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