Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)
Holmes.
»Frederick und die anderen ... Sie müssen wissen, mein Sohn war auch Schüler von Portora ... haben ein Gerücht über diesen Lehrer in Umlauf gesetzt, aus jugendlichem Übermut, aber auch, um auf einen tatsächlichen Missstand hinzuweisen. Junge Menschen erkennen manchen Sachverhalt klarer als wir. Jedenfalls sind sie zu weit gegangen. Die schöne böse Schlange spuckte Gift ...«
»Wer?«, fragte Dorrit Biggs.
»Die Mutter. Sie war sehr schön und sehr böse. Ich musste die Schüler bestrafen, auch meinen Sohn. Ein Umstand, der mich noch heute schmerzt, denn drei Tage später war er tot. Verunglückt in einem Boot auf dem See. Mein Gott, das war ein Schlag, auf den noch einige andere folgten, bis Sie diesen körperlichen und geistigen Krüppel vor sich sehen, Mr. ... Wie war der Name?«
»Holmes. Sherlock Holmes. Und Sie erinnern sich noch des Gerüchts von damals?«
Der Alte nickte. Nach einer langen Pause erklärte er: »Ich werde es aber nicht wiederholen. Es war eine Erfindung unreifer Schüler.«
»Ich wäre sehr daran interessiert, die Spur dieses Mathematiklehrers und seiner Mutter weiter zurückzuverfolgen. Sie erinnern sich doch noch, wie Sie den damals jungen Mann zum ersten Mal sahen, woher er kam, warum Sie ihn aufnahmen?«
»Er war ein ganz schmaler, blasser Mensch neben dieser exotischen Frau. Ja, wie kam er an die Schule? Über den Doktor, der ja schon zwei seiner ehelichen Söhne bei uns unterrichten ließ.«
»Das heißt ...«, unterbrach ihn Holmes, hellhörig geworden, doch der alte Schulmann fuhr unbeirrt fort: »Der Doktor hatte mehrere Kinder, die nicht von seiner Ehefrau stammten. Darunter diesen Mathematiklehrer James Moriarty.«
»Moriarty ist ein Sohn von Sir William Wilde«, hielt Holmes fest.
»Der Doktor muss sehr jung gewesen sein, noch vor seiner Ehe. Und die Frau war wunderschön und raffiniert. Keiner von uns werfe den ersten Stein«, sagte der alte Mann und lächelte.
»Was geschah mit diesem Lehrer? Wie lange hat er an Ihrer Schule unterrichtet?«
»Er verließ Portora kurz nach dem Tod meines Sohnes, dessen Entfernung aus der Schule seine Mutter und er so vehement gefordert hatten, einen Wunsch, dem ich natürlich nicht nachkam. Moriarty ging von selbst und ich habe nie mehr von ihm gehört. Wenn ich so zurückdenke, hat sich mit der Ankunft dieses Lehrers und seiner Mutter unser Leben verdüstert.«
»Sie meinen den Tod Ihres Sohnes und Ihrer Frau?«, fragte der Detektiv.
»Ach, es war nur so daher gesagt. Man kann nicht jemand anderen für das eigene Unglück verantwortlich machen«, entgegnete der alte Mann und verstummte.
Als Mrs. Biggs den Detektiv die Treppe hinunter begleitete, meinte sie: »Der Tod meines Bruders war furchtbar für ihn. Ich war noch ein kleines Mädchen, das sich kaum daran erinnert. Viel stärker traf mich der Verlust meiner Mutter. Vater hat alles getan, um mein Leben erfreulich zu gestalten und die Schule weiterhin bestens zu leiten. Er sprach kaum noch von den beiden. Jetzt im Alter kommt die Erinnerung zurück und mit ihr die Trauer. Obwohl Vater sein ganzes Leben um Haltung bemüht war.«
»Sie ist ihm geblieben. Auf bewundernswerte Weise«, versicherte Sherlock Holmes.
»Ich begleite Sie zur Schule hinauf. Mein Mann wird Ihnen weiterhelfen«, erbot sich die Frau. Der Weg führte Dorrit Biggs und den Detektiv die breite Zufahrt entlang auf die Kuppe des Hügels, von dem aus das kasernenartige Schulgebäude auf die Stadt und den See blickte. Die fröhlichen Stimmen der Kinder aus den weit geöffneten Fenstern minderten den düsteren Eindruck. »Es ist Pause. Da treffen wir meinen Mann im Rektorzimmer.«
Dr. Biggs wirkte wie eine jüngere Ausgabe seines Schwiegervaters. Ein durch das viele Sitzen gebeugter Mensch, der sich um eine betont aufrechte Haltung bemühte. Ein sehr höflicher, aber zugleich misstrauischer und zurückhaltender Mann, seiner Frau in Liebe ergeben, wie es schien.
»Moriarty, James«, sagte er schließlich, nachdem er in einem schwarzen Ordner geblättert hatte. »Mathematiklehrer von 1864 bis 1866. Er verließ die Schule am 16. Juni 1866.«
»Eine Woche nach dem Unfall meines Bruders«, erklärte seine Frau.
»Rasches Studium ... sehr rasches Studium an der Universität von Jordanstown, dann sein Wirken an dieser Schule.«
»Lässt sich feststellen, warum der junge Lehrer seine Stelle vor dem Ende des Schuljahres aufgab?«, erkundigte sich Holmes.
»Ich werde noch einen Blick in die
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