Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)
sicherte den Einzug in den Friedhof von Highgate mit einer Pistole in der Hand. Mr. Binns schob den Rollstuhl, in dem die schlafende Mrs. Moriarty saß. In einer Entfernung von vier, fünf Schritten folgte zögernd Doktor Watson.
Es war zehn vor zwölf. Pünktlich zur Mittagszeit lieferte der Botenjunge Wiggins die Nachricht nach Kenwood House , der zufolge sich der Ort der Übergabe geändert habe und nun identisch sei mit dem des Verlustes.
Ab diesem Zeitpunkt war damit zu rechnen, dass Moriarty wusste, dass sich Holmes und seine Mutter in der Gruft aufhielten.
»Watson, halten Sie sich ungesehen in einiger Entfernung, um im positiven Fall Ihre Frau entgegenzunehmen. Mr. Binns platziert sich am Eingang zum Grabmal, um darauf zu achten, dass die Eintreffenden keine Waffen tragen, wenn sie die Gruft betreten. Und ich werde mit Mrs. Moriarty im Inneren des Monumentes darauf warten, was geschieht, wobei ihr weiteres Schicksal vom Lauf der Ereignisse abhängt.«
»Sie wollen sich an einer wehrlosen alten Frau vergreifen«, empörte sich plötzlich Elena Moriarty, die aus der Betäubung erwacht war.
»Keine Zeit für Geschwätz«, fuhr der Detektiv sie an und übernahm selbst den Rollstuhl.
Die Zeit verging. Es war schon fast ein Uhr, und nichts geschah. Mrs. Moriarty redete ohne Unterlass. Sie sprach vom Untergang all derer, die sich gegen ihren Sohn verbündet hatten, und vom triumphalen Sieg ihres Jamie, der eine Wiedergeburt des ägyptischen Gottes Apophis darstellte. Seit sie selbst von der Schlange gebissen worden war und das Gift an den Sohn weitergegeben hatte, war dieser göttlich geworden.
Die Worte der Frau klangen wie ein Gebet.
»Apophis ist der Gott der Finsternis und des Chaos«, unterbrach Holmes die Litanei. »Er starb durch die Katze des Re, die ihm den Kopf abschlug.«
Darauf schwieg die Alte, wobei sie sich mehrmals mit vibrierender Zunge über die Lippen fuhr.
Einige Minuten später drangen die Stimmen von Männern in das Grabmal. Bartholomew Binns forderte James Moriarty auf, sich nach am Körper versteckten Waffen durchsuchen zu lassen. Als der Scharfrichter nichts Verdächtiges entdeckte, ermöglichte er dem Professor, die Prozedur an ihm und in der Gruft an Sherlock Holmes zu wiederholen. Bevor jedoch Moriarty die Gruft seines Großvaters betrat, bestand Holmes darauf, dass dieser seinen Gehstock in sicherer Entfernung zum Eingang deponierte.
»Das ist nicht nötig, Holmes. Es befindet sich keine verborgene Waffe darin«, protestierte der Mann, folgte dann jedoch der Anweisung.
Als Moriarty auch seine im Rollstuhl gefesselte Mutter kontrollieren wollte, protestierte diese unwillig. »Vergiss es, Jamie. Sie haben nichts bei mir versteckt.«
»Sie kommen ganz allein«, stellte Holmes fest. »Ist das nicht riskant? Wir sind zu dritt und könnten Sie überwältigen.«
»Das stimmt, aber Sie würden nicht weit kommen«, antwortete Moriarty ruhig. »Und das wissen Sie, Holmes. Sie wissen, dass Sie diesen Ort nicht verlassen können, wenn Sie mich nicht töten.«
»Soweit Ihre Berechnungen, Moriarty. Wie also sieht in Ihren Augen mein Plan aus?«
»Sie gaukeln Ihren Begleitern den Austausch meiner Mutter gegen Watsons Frau vor, planen aber, mich zu vernichten, koste es, was es wolle.«
»Wo ist Mary? Was ist mit meiner Frau?«, unterbrach John Watson, der in die Gruft gestürmt war, das Gespräch der beiden Feinde.
»Sie ist schon hier«, stellte Moriarty fest und strich über die Schlangenzunge zu Füßen des Denkmals des goldenen Engels. Die Statue begann sich zu drehen, die Grabplatte hob sich.
»Sie können herauskommen, Mary«, sagte Moriarty, und tatsächlich schritt Watsons Frau die Stufen hoch. Sie bewegte sich in einer Art Trance, ihre Augen starr nach vorn gerichtet. Ihr Gesicht war ernst und bleich.
»Wir mussten sie mit einem Medikament beruhigen, damit sie die Stunden in diesem Verlies ohne seelischen Schaden überstehen konnte«, erklärte Professor Moriarty. »Doch das gibt sich. Die Wirkung verflüchtigt sich mit der Zeit.«
»Was weiter? Was wird als Nächstes geschehen?«, fragte Sherlock Holmes.
»Einer Ihrer Begleiter wird die Falle erkennen, in die er durch Ihre Schuld geraten ist, Holmes, und er wird versuchen, seine Haut zu retten. Ich schätze, dass es sich dabei um den Doktor handelt, der das Leben seiner Frau schonen will.«
»Das stimmt«, meinte Watson und trat energisch vor. »Doch ich habe mich entschlossen, diesen Teufelskreis aus Hass und Rache,
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