Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)
gepresst wurde, bevor er besinnungslos zu Boden ging.
Moriarty , war sein letzter Gedanke.
KAPITEL 11
Als Watson aus dem Dämmerschlaf erwachte, in den ihn das chloroformgetränkte Tuch versenkt hatte, hörte er die vertraute Stimme seines Freundes Sherlock Holmes.
»Er kommt zu sich. Eine gelungene Generalprobe«, sagte der Detektiv zu dem Mann, den Watson als Steinmetz auf dem Friedhof von Highgate gesehen hatte.
»Wie geht es Ihnen, Doktor?«, erkundigte sich Holmes.
»Sie, Holmes? Warum haben Sie mich betäubt?«
»Um Sie ruhigzustellen und Sie als Versuchskaninchen einzusetzen. Was Ihnen geschehen ist, soll möglichst bald einer anderen, für unseren Fall wichtigen Person widerfahren. Es ging um Wirksamkeit und Dauer der Betäubung und den Abtransport. Beides klappte hervorragend dank Ihrer Mithilfe.«
»Man hat den Inspektor mit etwas infiziert ...«, begann Watson.
»Ich weiß. Wir haben daher sofort unsere eigene Tätigkeit aufgenommen, Mr. Binns und ich. Darf ich vorstellen? Mr. Binns, ehemaliger Scharfrichter von London, dessen Leben von Moriarty zerstört wurde. Unser Nachbar, durch dessen Wohnung wir ungesehen ins Freie gelangten.«
»Es freut mich, Sie kennenzulernen, Doktor«, erklang die tiefe Stimme des Henkers von London.
»Aber wie bringen Sie Moriarty dazu, in dieses Grabmal zu gehen, um ihn überwältigen zu können?«, fragte Watson ungläubig.
»Über den Umweg seiner Mutter«, erklärte der Detektiv. »Sie sucht fast täglich die Grabstätte ihres Vaters auf. Wir bemächtigen uns ihrer und schlagen Moriarty über eine Annonce in der Times den Austausch der Frau gegen Mary Watson vor. In besagter Gruft.«
»Aber ...«
»Brosche gegen Brosche zu tauschen.«
»Aber ...«
»Sie haben doch nicht wieder eigene Vorschläge, Watson?«
»Nein«, erwiderte dieser. »Ich bestehe darauf, dabei sein zu können. Als Arzt.«
»Nicht bei der Entführung der Mutter, wohl aber bei der Befreiung Ihrer Frau«, sagte Holmes. »Einverstanden?«
»Natürlich.«
Die schlanke, kleine Frau, der Holmes und Mr. Binns einen Knebel in den Mund gesteckt hatten, den sie mit einem schwarzen Tuch fixiert hatten, wand sich wie eine Schlange: Elena Moriarty, die Schlangenbeschwörerin, die seit ihren Erlebnissen in jungen Jahren nichts mehr erschüttern konnte. Ihre Augen funkelten voll verhaltener Energie. Von der Figur her wirkte sie beinahe wie ein junges Mädchen, nur die Falten im Mund- und Halsbereich und ihre weißen Haare ließen auf ihr fortgeschrittenes Alter schließen, das Holmes auf Mitte siebzig schätzte. Ein Zirkuskind, das in die gehobene Gesellschaft des Landes aufgestiegen war und ihrem Vater, dem Tierbändiger und Rechenkünstler, so verbunden war, dass sie dessen Grab täglich besuchte.
Holmes bat seinen Freund Doktor Watson, den Gesundheitszustand der Frau zu untersuchen, und dieser stellte schließlich fest, dass ihr Puls bemerkenswert ruhig schlug und sie sich bester Gesundheit erfreute.
Jetzt erst nahm ihr der Detektiv den Knebel ab und sagte zu ihr: »Wenn Sie schreien, werde ich Sie wieder betäuben.«
Mit rauer, ruhiger Stimme sagte die Frau: »Ich schreie nicht. Worum ich Sie aber bitte, ist eine Zigarette.«
Bartholomew Binns griff nach einer Schachtel Craven A, entnahm ihr eine Zigarette und wollte sie für die Gefangene anzünden.
»Nicht von Ihnen. Ich nehme nichts vom Henker von London.«
»Sie kennen also Mr. Binns«, stellte Holmes fest.
»Er gehört nicht zu unseren Freunden«, sagte Mrs. Moriarty und wartete, bis Sherlock Holmes ihr die von ihm angerauchte Zigarette in den Mund steckte.
Die Frau machte einige tiefe Züge, blies dann den Rauch durch die Nase und versicherte: »Über meinen Sohn werden Sie nichts von mir erfahren. Da müssten Sie mich totschlagen.«
»Ein Vorgang, der nicht meinem Stil und meinen Intentionen entspricht. Sie sind unser Pfand, um Mrs. Watson auszulösen. Ein Tauschvorgang, der eigentlich keine besonderen Schwierigkeiten bereiten sollte.«
»Und?«, fragte Mrs. Moriarty.
»Das ist es. Alles andere wird sich ergeben.«
»Seien Sie vorsichtig, Mr. Holmes! Sie können meinen Sohn nicht überlisten«, zischte die Gefangene und ließ kurz ihre Schlangenzunge erkennen.
»Eine persönliche Frage«, fuhr Holmes fort. »Wer hat Sie gezwungen, sich die Zunge spalten zu lassen?«
»Ein Mensch, der es bereut hat.«
»Ihre Mutter?«
»Möglich.«
»Sie musste sterben und ruht nicht an der Seite Ihres Vaters.«
»Das ist
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