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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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Jahre her, seit ich mich mit einer Frau beschäftigt hatte, und ich bemerkte sie und ihre Reize nur ganz allmählich. Da das Thema nie angeschnitten wurde, erwähnte ich bei unseren Unterhaltungen weder meine Frau noch ihren Gesundheitszustand. Später, als es von Bedeutung war, scheute ich mich, ihr etwas davon zu sagen.
    So fing es an, meine Herren. Es ging äußerst korrekt zwischen uns zu, denn wir hatten uns die Tiefe unserer Gefühle nicht eingestanden und waren uns beide der Regeln bewußt, die im Savoy für die Beziehungen zwischen den Geschlechtern galten.
    Aber allmählich begannen wir, einander zu lieben, Mr. Holmes. Sie war das liebenswerteste, großzügigste Geschöpf auf der Welt, liebevoll und zärtlich von Natur. Ich sah in ihrer Liebe die Rettung meiner Seele. Dann entschloß ich mich, ihr die Wahrheit über meine Ehe zu sagen. Es verursachte mir wochenlange Qualen, aber ich kam zu dem Schluß, daß ich kein Recht hatte, diese Tatsache einem Menschen vorzuenthalten, den ich so herzlich liebte, und ich sprach mir alles vom Herzen.«
    Er unterbrach sich und schöpfte Atem, während das Weiße seiner Augen wie wild in den Höhlen rollte.
    »Sie war zunächst außer sich, und ich glaubte meine schlimmsten Befürchtungen erfüllt. Sie weigerte sich drei Tage lang, mit mir zu sprechen, und während dieses Zeitraums glaubte ich, dem Wahnsinn zu verfallen. Ich war dem Selbstmord nahe, als sie schließlich nachgab und mir sagte, daß sie mich noch liebte. Ich kann Ihnen nicht beschreiben, was für Verzückungen dieses Bekenntnis in mir auslöste. Ich fühlte, daß mit ihr an meiner Seite und mit ihrer Liebe in meinem Herzen keine Hürde zu hoch war, ja, daß mir alles gelingen mußte!
    Aber das Schicksal hielt mich immer noch in seinen Klauen. Wie in der Vergangenheit bediente es sich der Frau, die ich liebte. Ein Mann – ein Ungeheuer, sollte ich sagen – machte sich ohne mein Wissen an Jessie heran und teilte ihr mit, daß er von unserer Beziehung wisse. Er verdrehte unsere Liebe in eine schmutzige und widerwärtige Affäre. Seine giftigen Reden waren ohne Scham und ohne Gnade, und sie gab ihnen nach. Sie befriedigte seine geilen Gelüste nicht nur um ihrer selbst, sondern auch um meinetwillen, denn er hatte ihr genug Angst eingejagt, und sie sagte mir nicht, was sie getan hatte, damit wir nicht beide kompromittiert und dem Ruin ausgesetzt wurden.
    Aber sie konnte ihre Gefühle nicht geheimhalten, Mr. Holmes. Das besondere Band der Intuition, das Liebenden eigen ist, hatte sich zwischen uns bereits gebildet, und ich wußte, ohne die Tatsachen zu kennen, daß etwas vorgefallen war. Unter vielen Seufzern und Tränen rang ich ihr die Geschichte ihrer Demütigung ab, nachdem ich zuvor versprochen hatte, in keinen Fall irgendwelche Schritte zu unternehmen.
    Aber es war nutzlos, mir ein solches Versprechen abzunehmen! Was sie mir sagte, war so entsetzlich, daß ich es kaum für wahr halten, noch weniger ertragen konnte. Diese beiläufige und doch so vollkommene Bosheit hatte etwas so Unglaubliches, daß ich sie selbst bestätigt sehen wollte.
    Ich suchte ihn in seiner Wohnung auf und sprach mit ihm –«, er hielt inne, hustete schwach und schüttelte den Kopf. »Auf allen meinen Reisen hatte ich nie einen solchen Mann getroffen. Als ich ihm sein schändliches Verhalten vorhielt, lachte er! Ja, er lachte, als er meine Vorwürfe vernahm, und sagte, ich kenne mich im Theaterleben nicht aus! Ich war durch die kolossale Unverfrorenheit so außer Fassung gebracht, daß ich ihn bat – ja, anflehte  –, mir mein Leben, meine Welt zurückzugeben. Und er lachte immer noch, klopfte mir jovial auf die Schulter und sagte, ich sei ein guter Junge, aber ich solle mich vor Schauspielerinnen hüten, während er mich zur Wohnungstür brachte!
    Die ganze Nacht durchwanderte ich Londons Straßen und verirrte mich in Gegenden, die mir unbekannt waren und die ich auch heute noch nicht nennen könnte, während ich mich zwang, meiner eigenen Verdammnis ins Auge zu sehen. Während dieser endlosen Odyssee zersprang etwas in mir, und ich wurde wahnsinnig. Es war, als hätte sich alles Unglück meines Lebens zu einer Gestalt kristallisiert, und es war die Gestalt Jonathan McCarthys. Auf seine Schultern häufte ich alle meine Unglücksfälle und Leiden – die Krankheit meiner Frau, den Tod meiner Eltern, die Pest selbst und schließlich das, wofür er wirklich verantwortlich war: die Erniedrigung der Frau, die ich liebte. Sie,

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