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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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offenbarte.
    Aber wie verändert! Sein Körper war im Sessel zusammengesunken wie der eines verschrumpften, alten Affen, und sein Gesicht wäre mir unkenntlich, ja nicht als menschlich erschienen, hätte Holmes ihn nicht identifiziert. Sein Körper war verrunzelt wie ein verfaulter Apfel und mit abscheulichen schwarzen Beulen und Pusteln bedeckt, die aufgeplatzt waren und von einer Flüssigkeit trieften, die schmutzigen Tränen glich. Das ekelhafte Naß lief über sein Gesicht und ließ es glänzen. Seine Augen waren so geschwollen und blutunterlaufen, daß er sie kaum öffnen konnte, und das Weiße unter seinen Lidern rollte beängstigend. Seine Lippen waren vertrocknet und aufgesprungen, von blutenden Ekzemen bedeckt. Mit kaltem Entsetzen, das mir durch Mark und Knochen schoß, wurde mir klar, daß das pumpende Geräusch sein qualvolles Atmen war, pfeifend wie die Luft in einer Orgel, und meine Erfahrung sagte mir, daß Dr. Eccles keine Stunde mehr zu leben hatte.
    »Kommen Sie nicht näher«, wiederholte diese Erscheinung in heiserem Flüsterton. »Ich sterbe, und es darf mir niemand nahe kommen. Wenn alles vorbei ist, müssen Sie dieses Zimmer und seinen gesamten Inhalt verbrennen, vor allem meine Leiche – ich habe alles niedergeschrieben, für den Fall, daß Sie zu spät kämen –, aber, was immer Sie tun, rühren Sie den Leichnam nicht an! Verstehen Sie? Rühren Sie ihn nicht an!« krächzte er. »Die Seuche wird durch direkten Kontakt übertragen.«
    »Ihre Anweisungen sollen aufs genaueste ausgeführt werden«, antwortete Holmes mit fester Stimme. »Gibt es irgend etwas, womit wir Ihren Zustand erleichtern können?«
    Die faulende Masse wiegte sich langsam von einer Seite auf die andere, die schwarze, geschwollene Zunge baumelte lose aus dem, was einst ein Mund gewesen war.
    »Es gibt nichts, was Sie tun können – und ich verdiene es nicht anders. Ich verdanke meinen Tod meinen eigenen Verirrungen und habe meine Schmerzen durch meine Sünden auf mich gebracht. Aber Gott weiß, daß ich sie liebte, Mr. Holmes! So gewiß ein Mann jemals eine Frau in dieser Welt geliebt hat, so gewiß liebte ich Jessie Rutland, und kein Mann in dieser Welt hat jemals um seiner Liebe willen das getan, was mein Schicksal mich zu tun zwang!« Er stieß ein ersticktes Schluchzen aus, das die elenden Überreste seines Körpers erschütterte, und das war beinahe sein Ende. Wir mußten eine ganze Minute die gräßlichsten Geräusche anhören, bis er sich schließlich erholte.
    »Ich bin Katholik«, sagte er, als er seiner Stimme wieder mächtig war. »Es versteht sich von selbst, daß ich keinen Priester kommen lassen kann. Sind Sie bereit, meine Beichte anzuhören?«
    »Wir werden sie anhören«, erwiderte mein Freund mit weicher Stimme. »Können Sie sprechen?«
    »Ich kann. Ich muß!« Mit übermenschlicher Anstrengung richtete die Kreatur sich im Sessel auf. »Ich kam vor etwas über vierzig Jahren nicht weit von hier, in Sussex, auf die Welt. Meine Eltern waren wohlhabende Gutsbesitzer, und ich war, wenn auch nicht der älteste Sohn, der Liebling meiner Mutter und erhielt eine ausgezeichnete Ausbildung. Ich besuchte Winchester und dann die Universität in Edinburgh, wo ich mein Staatsexamen in Medizin absolvierte. Ich bestand meine Prüfungen mit Glanz, und alle meine Professoren waren sich darin einig, daß meine Stärke in der Forschungsarbeit läge. Aber ich war ein junger Mann, der den Kopf voller Abenteuer und Ideen hatte. Ich hatte so viel Zeit über meinem Studium verbracht, daß ich unbedingt etwas erleben wollte, bevor ich mich für immer zwischen Reagenzgläsern und Mikroskopen niederließ. Ich wollte etwas vom Leben sehen, bevor ich mich in die klösterlichen vier Wände des Laboratoriums zurückzog, und so nahm ich an einem Kurs für Militärärzte in Netley teil. Ich kam unmittelbar nach der Meuterei der Sepoys nach Indien und führte fünfzehn Jahre lang das Leben, von dem ich geträumt hatte. Ich diente unter Braddock und später unter Fitzpatrick. Ich war an der Front im Zweiten Afghanischen Krieg und, wie Sie, Dr. Watson, in Maiwand. Ich führte die ganze Zeit über Tagebuch und hielt alles fest, was mir auf meinen Reisen begegnete, hauptsächlich Beobachtungen von Tropenkrankheiten, die ich als Militärarzt behandelte – denn ich war entschlossen, eines Tages meinem Ruf zu folgen und mich der Forschung zu widmen.«
    Hier hielt er inne, brach in einen heftigen Hustenanfall aus und spuckte Blut auf den

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