Sherlock Holmes und die Zeitmaschine (German Edition)
verzweifelt wie wir, aber von der anderen Seite her«, erklärte Holmes. »Wir bemühen uns, William Dunning zu finden und eventuell zu retten, indem wir den Schleier des Unwissens zu durchdringen versuchen, der das Verschwinden umgibt. Er jedoch scheint nach dem Ursprung des Verschwindens zu suchen, indem er sich nach den Opfern erkundigt und dem Auftauchen der Geister folgt.«
»Als sei er sich seines Wissens sicher«, murmelte Kent. »Aber wie kann ihn das zum Ausgangspunkt der Geister oder des Verschwindens oder beider machen? Falls sie miteinander verbunden sind, wie wir vermuten.«
»Wenn ich vorher noch einen Rest von Zweifel hegte, hat das Bindeglied Maddoc die Verbindung besiegelt. Was seine Rolle betrifft: Bedenken Sie einmal den Zustand des Mannes, den wir im Neptun beobachteten; abgezehrt, bedrückt und dem physischen und geistigen Zusammenbruch so nahe, wie ich es zuvor kaum jemals gesehen habe. Und doch war er immer noch auf den Beinen, hat immer noch weitergemacht und sich gegen die drohende Gefahr gestemmt. Was treibt ihn so, Inspektor?«
»Was treibt uns , Mister Holmes?«, fragte Kent zurück. »Pflichtgefühl. Das Wissen darum, dass wir, moralisch gesehen, recht haben. Es könnte bei diesem Maddoc das Gleiche sein.«
»Ich glaube nicht, Inspektor«, widersprach Holmes. »In seiner Beharrlichkeit ist Mister Maddoc kein normaler Mann, aber es ist selten, dass sich ein Mann von den Gefühlen und Motiven seiner Spezies distanzieren kann. Wir tun das, was wir machen, weil es unsere Berufung ist, aber Maddoc ist Wissenschaftler, eine Art von Konstrukteur. Ihn kann höchstens ein Schuldgefühl so antreiben; die Annahme seiner Schuld.«
»Wie könnte denn die Verantwortung für so etwas auf seinen Schultern lasten?«
»Das ist im Augenblick nicht klar, aber wenn wir Mister Maddoc aufspüren, könnte sich alles aufklären.«
»Dann«, stellte Kent resolut fest, »ist es an der Zeit, keine Geister mehr zu jagen, sondern vielmehr ein Wild aus Fleisch und Blut.«
KAPITEL 7
Die Bedeutung der Zeit
Das Royal College of Science, also die Technische Universität, war ein stattliches vierstöckiges Terrakotta-Gebäude mit schönen Wandgemälden im italienischen Stil an der Seite zur Messestraße gegenüber dem Postamt und neben dem South Kensington Museum. Nach einem eiligen Zwei-Minuten-Marsch vom South-Kensington-Bahnhof aus standen Sherlock Holmes und Inspektor Kent vor dem stillen, dunklen Gebäudetrakt, der nur schwach von den Reihen der weit voneinander entfernten Gaslaternen beleuchtet wurde. Die Schatten hoher kahler Bäume fielen auf die Fassade der Südwand.
»Sie wissen hier vielleicht etwas über diesen Maddoc«, meinte Kent, »aber zu dieser Stunde ...«
»Hier befindet sich außer den Bediensteten immer jemand im Haus«, erklärte Holmes, schob das Tor auf und schritt zur Eingangstür.
Kent folgte ihm. Er zuckte ein wenig zusammen, als Holmes den schweren Messing-Türklopfer bediente, nicht weil das resultierende Geräusch besonders laut gewesen wäre, sondern weil es die tiefe Stille dieser Nachbarschaft so hart unterbrach. Die Dunkelheit der Fassade und die schmalen, schwarzen Fenster, die wie die leeren Augen von Leichen auf dem Pennyfields-Friedhof wirkten, gingen Kent sehr an die Nerven. Vielleicht lag es auch daran, so sagte er sich, dass er dieses Gefühl, scharf beobachtet zu werden, nicht abzuschütteln vermochte. Es plagte ihn, seit Holmes' jugendlicher Helfer in der Nacht verschwunden war.
Schließlich erschien drinnen ein schwacher, kleiner und undeutlicher Lichtschein hinter dem Fenster, der auf und ab hüpfte wie ein Irrlicht im Moor. Die schwere Tür öffnete sich, und das Licht erwies sich als eine Kerze in der Hand eines vielleicht sechzehnjährigen Burschen. Eine Aura von Schläfrigkeit umgab ihn wie ein dünner Schleier.
»Ja, Sir?«, sagte er mit zittriger Stimme und sah die beiden Männer auf der Treppe an. »Was ist los? Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Inspektor Kent von Scotland Yard.« Er zeigte seinen Ausweis. »Und dies ist Mister Sherlock Holmes. Wir möchten mit jemandem sprechen, der hier etwas zu sagen hat, falls ein solcher anwesend ist.«
»Mann«, hauchte der Junge beeindruckt. »Sherlock Holmes! Aber ...«
»Ja, ja«, fuhr ihn Holmes ungeduldig an. »Wie es sich erwies, waren die Berichte über meinen Tod reichlich übertrieben. Nun, mein guter Junge, ist jemand von der Institutsleitung zu dieser unchristlichen Stunde zu
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