Sherlock Holmes und die Zeitmaschine (German Edition)
Überzeugung.
»Ich werde mich von rechts heranpirschen, während Sie sich den Felsen vom Ufer aus nähern«, wies Holmes ihn an. »Seien Sie extrem vorsichtig.«
»Es ist nur ein Tier, Holmes.«
»Etwas Ähnliches, da bin ich mir sicher, hat so mancher Jäger auch schon behauptet«, mahnte der Detektiv, »um dann selbst zum Gejagten zu werden.«
»Lassen wir das«, lenkte der Inspektor ein. »Ihre Warnung ist angekommen.«
Die beiden Männer machten sich auf den Weg zu den Felsen, wo der getriebene Morlock Unterschlupf gefunden hatte. Kent war privat bereits zur Jagd mit der Flinte durch Wald und Flur gewandert, wobei sich seine Beute allerdings stets nur auf harmlose Wildhühner oder Waldschnepfen beschränkt hatte. Dennoch war ihm die Furcht davor, etwas zu jagen, das sich wehren konnte, nicht gänzlich unbekannt, weil sein Beruf dies notwendigerweise mit sich brachte. Was sonst ging einem Polizisten durch den Kopf, der den Raubtieren der Gesellschaft im nächtlichen London nachstellte? Während all der Jahre hatte er stets die Oberhand über die Verbrecher der Stadt behalten, doch früher oder später, das wusste er, würde das Glück ihn auf die eine oder andere Art verlassen. Als er hinüber zu Holmes schaute, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, dass sie beide sich eigentlich gar nicht so stark voneinander unterschieden. Sie vertraten die gleichen Ziele, gingen aber jeder auf seine eigene Weise vor, um diese zu erreichen, hatten das Herz am rechten Fleck und gehorchten bloß unterschiedlichen Autoritäten. Beschützer Londons waren sie und nun, da seltsame Umstände sie zusammengebracht hatten, auch Bewahrer der Menschheit.
»Da ist der Morlock!«, rief Kent und wies mit dem Finger auf das Geschöpf.
Das Wesen kroch langsam wie eine fahle Giftspinne die Felsen entlang. Ehe einer der beiden Männer einen Schuss abfeuern konnte, war es wieder verschwunden.
»Es versucht zu entwischen!«
Das bezweifelte Holmes. »Es bewegt sich zu bemessen, als dass es auf irgendeine Art den Eindruck erwecken würde, kopflos zu handeln. Weshalb hat es bloß die Maschine verlassen?«
»Die können wir zerstören, falls wir sie finden«, schlug Kent vor. »Ohne Fluchtmöglichkeit werden wir die Kreatur stellen und brauchen uns nicht einmal dabei zu beeilen. Wir könnten sogar Verstärkung aus der Zukunft heranziehen.«
Kent bewegte sich weiter voran.
»Obacht!«, warnte Holmes ihn. »Halt!«
Was der Detektiv bemerkt hatte, fiel Inspektor Charles Kent einige Sekunden zu spät auf. Die Mutter hatte sich weder in die Ferne geschlagen noch zu weit von ihrer Maschine fortbewegt. Etwas silbrig Glänzendes schoss durch den leeren Raum der Vorzeitwelt und traf Kent. Er hielt inne, strauchelte rückwärts und ging in die Knie, ehe er zur Seite hin zusammensackte. Tief in seiner Brust steckte ein reich verziertes und seltsam geschwungenes Messer.
Holmes eilte sofort zu seinem Gefährten, für den indes jede Hilfe zu spät kam.
»Was war ich doch für ein Narr ...« Blut floss aus Kents Mund, und als er hustete, quoll noch mehr heraus. »Kümmern Sie sich nicht weiter um mich. Schnappen Sie dieses Ding!«
»Wenn ich Sie zurückschaffen kann in die ...«, hob Holmes an, aber Kent schüttelte nur schwach den Kopf, wofür er nahezu seine gesamten Kraftreserven aufzubringen schien.
»Wenn Sie den Morlock getötet haben, zerstören Sie seine Maschine ... und meine ... Lassen Sie mich ... am Anfang ... bei Gott ... Ich wünsche Ihnen ...«
Inspektor Kent hauchte seinen letzten Atemzug aus.
Holmes vernahm ein hochtönendes Heulen. Da wusste er, dass es ihm nicht gelungen war, den Morlock frühzeitig aufzuhalten. Das Geschöpf hatte die Zeit nach seinem Angriff auf Kent genutzt und war zu seiner Maschine zurückgekehrt, um erneut die Reise in die Zukunft anzutreten. Holmes machte den Apparat unschädlich, der den Scotland-Yard-Mann an den Beginn der Zeit getragen hatte, hinein in die Welt, an die er so fest geglaubt und die er aus dem ersten Buch des Alten Testaments gekannt hatte.
Der Detektiv musste die Verfolgung aufnehmen, daran bestand kein Zweifel, doch für gewisse wichtige Dinge musste noch etwas Zeit bleiben. Einen Moment lang war er versucht, Kents Leichnam mitzunehmen. Der Mann verdiente eine anständige Bestattung auf einem idyllischen Friedhof und eine herzliche Grabrede aus dem Munde von jemandem, der genauso innig an Gott glaubte, wie Kent selbst es getan hatte. Der Inspektor hatte jedoch auch darum gebeten, hier
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