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Shevchenko, A.K.

Shevchenko, A.K.

Titel: Shevchenko, A.K. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein fatales Erbe
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dem Verschwinden seiner Mutter sah Taras
seinen Vater im Wald, unter der smereka. Er saß
auf einem Haufen modrigen Laubs, schluchzte besoffen, wischte sich die Tränen
von den Wangen. Zu diesem Baum ging Taras am nächsten Tag. Er setzte sich auf
denselben Laubhaufen, der sich aber für ihn nicht weich anfühlte. Er begann, im
feuchten, von Pilzen wimmelnden Erdreich zu wühlen, voller Grauen vor dem, was
er finden würde. Er kratzte mit den Nägeln, stocherte mit einem abgebrochenen
Ast herum, fürchtete sich davor, tatsächlich etwas zu entdecken, fand jedoch nichts.
Aus Angst, dass sein Vater erraten würde, was er getan hatte, rannte Taras zum
Fluss und tauchte die Hände in das eiskalte Wasser. Er wusch und schrubbte sie
viele Male und entfernte mit einem scharfen Stein die schwarze Erde unter
seinen Nägeln.
    Als sein Vater starb, weinte Taras nicht. Ein Unfall, der
vorhersehbar gewesen war. Vor allem, wenn jemand morgens eine halbe Flasehe
schwarzgebrannten Fusels leerte - kein Wunder, wenn der auf einem felsigen Pfad
stolperte und in den Abgrund stürzte. Sein Kopf war zerschmettert, fast so, als
hätte jemand wiederholt zugeschlagen, sagte der Milizionär. Wahrscheinlich sei
er nach dem ersten Aufprall den Hang hinabgerollt und immer wieder gegen die
spitzen Steine geprallt. Wahrscheinlich.
    Taras hatte drei Jahre lang gewartet, gehofft, geplant -
aber die Rache vermochte den Schmerz nicht zu lindern: Er hatte
damals seine Mutter nicht beschützt. Das ist nie wiedergutzumachen,
egal wie er es aus heutiger Sicht zu rechtfertigen versucht. Er hat
Kate nicht beschützt. Er hat ihr nicht geholfen, als sie
ihn über den Tisch hinweg ansah, sich auf die Unterlippe biss, die Augen voller
Tränen. »Wissen Sie, wie schwer es ist, wenn man völlig allein ist
und die ganze Welt gegen sich hat?« Ja, er weiß es. »Halten
Sie es für möglich, so weiterzuleben?« Er kämpft jeden Tag gegen die
Erinnerungen an. Es gibt nur einen Weg, das zu beenden.
    Taras blickt auf die Uhr. Es ist Zeit. Langsam erhebt er
sich und geht ins Bad. Er hat diese Operation gründlich durchdacht - Risiken,
Hilfsmittel, Logistik, Mitteilung -, darum sind nun all seine Handgriffe
präzise und methodisch. Er legt sämtliche Dokumente, sein Rückflugticket und
Kates Fotografie ins Waschbecken. Zündet ein Streichholz an und sieht zu, wie
die Schlagzeile Gute Reise nach Europa langsam
verschwindet, ein Buchstabe nach dem anderen: G...U...T...E... Das Feuer
verschlingt Andrijs Hand, Kates Lächeln. Bald ist nur noch eine krumme schwarze
Linie verbrannten Papiers übrig und ein gelber Fleck im Waschbecken. Er spült
die Reste den Ausguss hinunter und schrubbt fein säuberlich den Fleck weg.
    Er seift sich die Hände länger ein als sonst. Bedeckt
seine Oberlippe mit Rasierschaum und rasiert sich sorgfältig den Schnurrbart
ab. Er wäscht sich die Hände, wischt jeden Finger einzeln trocken und hängt das
Handtuch zum Trocknen über den Wannenrand. Dann betrachtet er sein Gesicht im
Spiegel. Seine Vermieterin hatte recht - ohne Schnurrbart sieht er tatsächlich
jünger aus. Zurück im Zimmer, öffnet er seinen Aktenkoffer und nimmt seinen
alten Armeegürtel heraus. Plötzlich fällt ihm die Wahrsagerin damals in
Cambridge ein. » D u hast 's
faustdick hinter den Ohren, Jungchen! Bist ein Galgenstrick! Aber sei auf der
Hut!« Das also hat sie gemeint.
    Er weiß, dass der Gürtel sein Gewicht tragen wird - der
Gürtel, der damals in den Baracken benutzt wurde, hat fünf Stunden gehalten.
Taras erinnert sich an den Tag, als sich einer der Rekruten seines Regiments in
den Baracken aufgehängt hat, weil er die Qualen, die ihm die tschetschenischen
Bosse zufügten, nicht mehr ertrug. Die Soldaten durften ihn nicht berühren, bis
die offizielle Untersuchungskommission eintraf, und so standen sie nur
schweigend im Kreis und betrachteten die Leiche. Es hatte Taras damals überrascht,
dass die Lippen des toten Soldaten zu einem Lächeln verzogen waren. Ein
Moskowit, der sich auskannte, erklärte ruhig, dass das Ersticken manchmal eine
Empfindung auslösen könne, die einem Orgasmus ähnle.
    Taras zieht ein sauber gebügeltes weißes Hemd an, knöpft
es ordentlich von unten nach oben zu und lässt den obersten Knopf offen. Dann
geht er zur Eingangstür der Suite, öffnet sie einen Spalt und lässt sie
angelehnt. Er will, dass sie ihn so finden: frisches Hemd, saubere Hände, ein
triumphierendes Lächeln, nicht vom Schnurrbart verdeckt. Alles in allem doch
ein

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