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Shevchenko, A.K.

Shevchenko, A.K.

Titel: Shevchenko, A.K. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein fatales Erbe
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Rückseite in riesigen roten Lettern EASTERN
EUROPEAN LOGISTICS steht.
    Ich wusste gar nicht, dass so große Laster überhaupt noch
durch die Innenstadt fahren dürfen, denkt Kate. Hat sich vielleicht verfahren
und wollte zur North Circular Road. Nimmt mir komplett die Sicht. Und dann noch
dieser Idiot, der mir an der Stoßstange klebt! Sie entdeckt rechts auf der
Mittelspur eine Lücke und will gerade ausscheren, als es passiert. Der Laster
vor ihr macht eine Vollbremsung, gerade als der Kleinwagen hinter ihr die Stoßstange
ihres Golfs berührt. Kate tritt auf die Bremse, doch die Distanz zu dem
Lastwagen ist zu gering und ihr Tempo zu hoch. Erst ist es nur ein Knirschen
draußen, Angst, die nichts mit ihr zu tun hat, dann spürt sie einen dumpfen
Schlag, und ihr Wagen verzerrt sich zu den surrealistischen Formen aus Dalfs
Albträumen. Sie spürt ein kribbelndes Brennen im Arm. Das Blut schießt ihr in
die Ohren, und dann zermalmt sie eine Lawine. In einem dunklen Lift rast sie in
unerträglichem Tempo in die Tiefe. Neonlampen um sie herum flackern immer
hektischer und schneller, bis sie zu einem gleißenden Kaleidoskop verschmelzen.
Sie fällt in stumme, stumpfe Dunkelheit. Empfindet keinen Schmerz. Fühlt sich
so der Tod an?, ist ihr letzter Gedanke.
     
    TARAS
     
    30
     
    London, Freitag, 13. April
2001, 9.55 Uhr
    Um fünf vor zehn läuft Taras entgegen dem zähfließenden
Verkehr am Flussufer entlang. Ein Wagen mit der blau-gelben ukrainischen
Flagge prescht vor, umringt von der Motorrad-Eskorte. Als er vorbeifährt,
erkennt Taras den ukrainischen Präsidenten, der sich über seine Briefing-Unterlagen
beugt. Fünfzehn Minuten später steht Taras unter dem getüpfelten Gemälde. Amy
reagiert kaum auf seine Anwesenheit, ihr Lächeln wird immer verkrampfter.
    Taras, der die schlaflose Nacht eines Wächters hinter sich
hat, kann sich jetzt nur noch aufs Bitten verlegen.
    »Amy, ich muss Kate unbedingt sehen!« Er reicht ihr die
hingekritzelte Nummer. »Sie wollte, dass ich komme und wir uns sehen - hier,
schauen Sie, sie hat mir die Nummer ja selbst gegeben. Wir haben uns in Kiew
kennengelernt, ich hab's ihr versprochen!« Amy reagiert nicht.
    »Sie verstehen nicht«, fährt Taras fort. Sein Akzent lässt
ihn harsch und ungeduldig klingen. »Sie verstehen einfach nicht - ich muss sie
unbedingt sehen. Sie schwebt in Lebensgefahr!« Noch nie hat Taras bei einem
Menschen eine so rasche Verwandlung erlebt.
    Amy kräuselt angespannt die Lippen, um ein Schluchzen zu
unterdrücken, und wischt sich verstohlen die Augenwinkel. Eine Geste - und
schon hat sich der hübsche Waschbär in einen traurigen, müden Samurai
verwandelt.
    »Ich weiß«, sagt sie. »Ich weiß, dass sie in Lebensgefahr
schwebt.
     
    Carol hat gerade aus dem Krankenhaus angerufen. Kates
Zustand ist immer noch kritisch. Sie darf keinen Besuch empfangen. Es war ein
furchtbarer Autounfall.«
    Taras geht hinaus, sehr aufrecht, ohne sich von dem
stoischen Samurai an der Rezeption zu verabschieden. Er muss nicht fragen, wie
das passiert ist. Er kann es sich denken.
    Zurück im Hotelzimmer, bestellt er das teuerste Gericht
auf der Room-Service-Karte. »Wie lange dauert die Zubereitung? Dreißig Minuten?
Nein, bitte in fünfundfünfzig Minuten.« Er legt drei Papierbögen nebeneinander
und studiert sie gründlich. Es ist erstaunlich, wie sich ihre Methoden
gleichen. Drei verschiedene Mädchen, drei verschiedene Jahrhunderte - und
immer dieselbe Vorgehensweise. Wie hat Surikow es genannt? »Die Todesfahrt« ?
    Taras schiebt die Blätter mit dem Finger nach oben, eins
nach dem anderen.
    Eine Kopie des Berichts, den der Dragoner-Kommandant über
die Verhaftung von Sofia Polubotok, Feindin des Zarenreichs, verfasst hat. Eine
Verfolgungsjagd und ein Unfall mit der Kutsche. Eine Kopie des Berichts über
das Verhör von Oxana Polubotok mit Karpows Verdikt: Überleben
sicherstellen, falls Identität in Zukunft noch benötigt wird. Ein
Drogentrip, der sie auf eine Achterbahn schickte.
    Ein zerknüllter Zeitungsfetzen mit der doppelten Sequenz 8-3-2. Ein
simpler Verkehrsunfall, kinderleicht zu bewerkstelligen. Vermutlich war es die
Operation »langsamer Lastwagen vorn, Kleinwagen hinten«.
    Sein Finger verharrt auf dem ersten Blatt.
     
    An Feldmarschall Alexej Rasumowski
     
    Gemäß Ihrem Befehl, die Feindin des Zarenreichs, Sofia
Polubotok, in Arrest zu nehmen, harrte unser Dragonertrupp an der polnischen
Grenze ihrer Kutsche. Nach kurzer Verfolgung überschlug sich

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