Sheylah und die Zwillingsschluessel
zu rufen. Ich hatte nur eine Chance und sprintete los.
Der Vampir ließ von den Autos ab, als ich in sein Blickfeld trat und beobachtete mich grinsend. Er dachte wohl, ich suche verzweifelt nach einem Ausgang. Als Hund war ich unglaublich schnell, aber der glatte Boden machte es schwer, das gewohnte Tempo zu erreichen. Als sich die Türen langsam zu schließen begannen, kläffte ich ängstlich und versuchte noch einmal zu beschleunigen.
Da wurde dem Vampir erst bewusst, was ich vorhatte. Er fluchte und rannte ebenfalls zum Aufzug, doch er hatte zu spät reagiert. Ich war so schnell, dass ich mich nicht mehr bremsen konnte und mit voller Wucht gegen die Innenwand des Fahrstuhls krachte. Ich besaß noch die Geistesgegenwart, den Kopf zu drehen, sodass ich mit der Schulter aufprallte, dann sackte ich benommen zusammen. Der Fahrstuhl ging zu und setzte sich augenblicklich ruckelnd in Bewegung. Die Türen bekamen noch eine faustgroße Delle, als der Vampir von außen dagegen schlug, aber sie waren ziemlich stabil. Mussten sie auch, immerhin arbeiteten wir mit Vampiren zusammen. Ich war nicht bewusstlos, aber wie gelähmt vor Schmerzen. Trotzdem zwang ich mich in meine Menschengestalt zurück, denn die Gefahr war noch längst nicht gebannt. Als ich wieder auf zwei Beinen stand, durchwühlte ich die Tasche nach meinem Handy und drückte mit zittrigen Händen die Kurzzahl. Nicht 110! Die Polizei konnte mir in diesem Fall nicht helfen und hätte höchstens als Snack für den Vampir hergehalten. Außerdem wussten nur wenige über deren Existenz Bescheid, und das sollte auch so bleiben.
Mein Onkel zum Beispiel arbeitete bei der Staatsanwaltschaft und hatte obendrein einen mehr als guten Draht zum Polizeichef. Er hielt uns die hartnäckigen Ermittler vom Leib, aber auch ihn rief ich nicht an. Nein, was ich brauchte, war jemand mit Einfluss, jemand, der sogar unter den Untoten berüchtigt war. Es hatte erst einmal geklingelt, da meldete sich auch schon eine freundliche Stimme mit englischem Akzent. »Hier Max am Apparat, was gibt‘s ?« Max war der Stellvertreter von William Drake, dem Inhaber des Vampirclubs sowie einer Sicherheitsfirma und dazu Ranger vom Bezirk Mitte. Ich mochte Max und kannte ihn und Will seit meinem neunten Lebensjahr. »Hier ist Cherry, Cherrilyn Olsen«, stammelte ich. »Ich weiß, wer du bist, dein Name steht auf dem Display«, sagte er in typisch sarkastischem Ton. Normalerweise brachte mich das zum Lächeln, aber im Augenblick war mir überhaupt nicht nach Scherzen zumute. »Ein vampirisches Ehepaar wurde von einem der Killer Inc. getötet. Sie liegen verschrumpelt in der Garage. Ich konnte gerade noch in den Aufzug flüchten. Er ist hinter mir her und sagt, dass ein Kopfgeld von fünfzigtausend Euro auf mich ausgesetzt wäre.« Alle Heiterkeit war aus seiner Stimme verschwunden. »Wo bist du jetzt?« »Bei D.I.P., bitte beeilt euch.« Damit legte ich auf. Ich hatte den dreizehnten Stock erreicht, traute mich aber nicht gleich aus dem Fahrstuhl. Die Angst, der Killer könnte hinter der nächsten Ecke lauern, war einfach zu groß. Die Etage war stockdunkel und der Lichtschalter einige Meter entfernt. Andererseits roch ich keinen Vampir und die Sicherheitstür zur Treppe war auch verschlossen. Mir Mut zuredend, schnappte ich meine Tasche und hastete splitterfasernackt zum nächsten Lichtschalter. Ich vergewisserte mich jedoch nicht, ob ich wirklich allein war, sondern rannte sofort in den Schutzraum.
Fehlte noch, dass ich die einsame Heldin spielte und in den dunklen Ecken nachschaute. Das überließ ich den blöden Tussen aus den Horrorfilmen. Der Schutzraum war ein drei Quadratmeter großes Viereck, bestehend aus mehreren Schichten aus Panzerglas. Man hatte es vorher testen lassen und es ließ den einen oder anderen Vampir tatsächlich an seine Grenzen stoßen. Keinen Meistervampir natürlich, aber der Auftragskiller hatte keinen sonderlich starken Eindruck auf mich gemacht. Zugegeben, mich könnte er zerquetschen wie eine Mücke, aber das traf auf alle durchschnittlichen Vampire zu; die wirklich alten und mächtigen dagegen, hätten mich nicht einmal berühren müssen, um mir den Garaus zu machen. Ich schloss die Glastür und gab den fünfstelligen Code ein, dann stellte ich die Tasche hin und kauerte mich auf den Boden, die Treppe und den Fahrstuhl im Blickfeld. Ich wartete. Eine Viertelstunde später vibrierte mein Handy, doch war ich bereits so ein Nervenbündel, dass ich den Anrufer aus
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