Sheylah und die Zwillingsschluessel
Neugierde der Männer und Sheylah wurde nicht mehr so aufdringlich angegafft. Trotz des lauten Stimmengewirrs konnte sie ein paar interessante Gespräche aufschnappen. Eins davon handelte von ihr. „Sheylah heißt sie“, kam es von irgendwo hinter ihr. „Ja, davon habe ich auch gehört. Sie soll eine Nachfahrin von Prinzessin Zizilia sein“, sagte ein anderer. „Das glaubt ihr doch wohl selbst nicht, oder?“, fragte ein Dritter. „Prinzessin Zizilia und ihre Tochter sind schon über fünfzig Jahre tot, wo soll diese Sheylah auf einmal herkommen? Wenn ihr mich fragt, denkt sich der Graf wieder eine Geschichte aus, um den Pöbel von seinem Schloss fernzuhalten.“
„Schhhht, nicht so laut!“, zischte der Erste. „Oder willst du, dass man uns hängt? Der Graf hat überall seine Späher.“ Jemand lachte. „Ach Tom, du alter Angsthase, es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Skintii auch unsere Stadt ausgelöscht haben. Zwei Städte liegen schon in Schutt und Asche und wir sind die nächsten. Entweder werden wir von den Soldaten oder von den Skintii getötet, was macht das schon für einen Unterschied?“ „Halt gefälligst deine vorlaute Klappe, Philipp, sonst lass ich dich rausschmeißen.“ Er klang ängstlich und wütend zugleich. Sheylah konnte allein durch ihr Gehör bestimmen, an welchem Tisch sich die drei befanden. Deshalb musste sie auch nicht hinübersehen. Sie hatte die Augen geschlossen, um sich besser konzentrieren und die anderen Gespräche ausblenden zu können. „Ich würde sie gern mal sehen, sie soll sehr hübsch sein. Aber der Graf hütet sie wie seinen Augapfel und lässt sie nicht aus dem Schloss.“ „Ach, was du da wieder redest, ich sage euch, es gibt sie gar nicht“, widersprach Philipp. „Und ob es sie gibt“, sagte der Erste empört. Philipp schnaubte verächtlich. „Und woher wollt ihr Schlaumeier das wissen?“ Sheylah hörte, wie sich jemand nach vorn beugte. „Madrik hat es mir erzählt. Er arbeitet für den obersten Wachmann Djego Gronwald. Madrik ist mit meiner Cousine verlobt, deswegen kenne ich ihn und wenn er das sagt, dann glaube ich ihm auch.“ Daraufhin herrschte Stille. Sheylah hatte ihr Bier bis zur Hälfte ausgetrunken, als die Eingangstür aufflog und eine vermummte Gestalt hereintrat. Sie ließ eine frische Brise Luft herein und schlug dann die Tür zu. Weil das Gespräch über sie nicht wieder aufgenommen wurde, hielt Sheylah hier nichts mehr. Höchste Zeit, zu gehen , dachte sie sich und winkte das junge Mädchen wieder zu sich heran. Es gab Sheylah ein Zeichen zu warten und verschwand hinter der Theke. In der Zwischenzeit setzte sich der Neuankömmling zu Philipp und seinen Freunden. Als Sheylah registrierte, dass das Mädchen auf dem Weg zu ihr war, legte sie eine Silbermünze auf den Tisch und begab sich zum Ausgang. Im Vorbeigehen hörte sie, was an dem Tisch von Philipp und seinen Freunden gesprochen wurde. „Ihr werdet nicht glauben, was ich eben erfahren habe“, sagte der Neuankömmling gerade. „Das ganze Schloss ist in Aufruhr. Schon den ganzen Tag sucht man nach der Prinzessin. Sie soll spurlos verschwunden sein und sich in der Stadt herumtreiben.“ Instinktiv schaute Sheylah zu den Männern und diese zu ihr. Und ihr war, als würde die Welt einen Moment stillstehen. Sie sah, wie der Unglaube aus ihren Augen verschwand und sich stattdessen Erkenntnis breitmachte. Man musste kein gebildeter Mann sein, um eins und eins zusammenzuzählen und Sheylah brauchte auch keinen weiteren Ansporn. Sie stürmte aus der Kneipe und eilte die Straße entlang.
Sie warf einen Blick zum Himmel, doch der unheimliche Vogel war verschwunden. Sheylah lief schnell, achtete aber darauf, nicht zu rennen. Sie wollte keine Aufmerksamkeit erregen - davon hatte sie heute schon genug gehabt! Ein Hund bellte irgendwo in der Ferne und Schritte näherten sich ihr. Sie wusste, wer sie da verfolgte, auch ohne ihre übermenschlichen Fähigkeiten. Schließlich wurde sie eingeholt und war gezwungen, stehen zu bleiben. Es waren fünf Männer, die sie langsam einzukreisen begannen. Unter den fünf waren Philipp und der Neuankömmling. „Haben wir uns verlaufen, Prinzessin?“, fragte Philipp. Er stand ihr am nächsten. Sheylah versuchte ruhig zu atmen. Wenn sie einen klaren Kopf behielt, konnte sie vielleicht heil aus der Sache heraus kommen. „Ich bin keine Prinzessin“, log sie und pure Angst schwang in ihrer Stimme mit. Den anderen war es nicht entgangen, denn sie lachten
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