Sheylah und die Zwillingsschluessel
ertönte über ihr, gefolgt von gewaltigem Flügelschlagen. Es musste ein Rabe oder eine Krähe sein. Er kreiste direkt über ihr wie ein Geier, der seine Beute ausfindig gemacht hatte. Mit schnellen Schritten trat sie in die Spelunke, doch öffnete sie die Tür ein wenig zu heftig, so dass diese mit voller Wucht nach innen schwang und krachend gegen die Wand flog. Alle starrten sie an. Soviel zu ihrem Vorhaben, unauffällig zu bleiben. Sah die Spelunke von außen schon verfallen aus, so machte sie von innen einen noch viel heruntergekommeneren Eindruck. Es war sehr voll und dicke Rauchschwaden hingen in der Luft. Hier traf sich der ganze Abschaum der Stadt, das sah Sheylah auf einen Blick. Die Männer waren schäbig gekleidet, trugen ihre Waffen offen herum, waren vernarbt und sahen ungepflegt aus. Die Bar befand sich genau gegenüber dem Eingang und machte einen abgenutzten Eindruck. Der Putz an den Wänden blätterte ab und in einer Ecke stand ein Kamin, der mehr Qualm als Wärme produzierte.
Zusammen mit dem Pfeifenqualm der Männer war es fast unmöglich, einen vernünftigen Atemzug zu machen. Der Wirt schenkte Sheylah einen kurzen, abschätzenden Blick und wandte sich dann wieder seiner Arbeit zu. Anders als die Gäste. Sie starrten Sheylah weiter an, einige pfiffen oder winkten Sheylah zu sich herüber. Ein anderer befahl ihr meckernd, die Tür zu schließen. Sheylah tat es und lief so schnell wie möglich zur Bar, denn dort stand tatsächlich Neela, ihr den Rücken zugekehrt, und sprach mit dem Wirt. Doch erst einmal dorthin zu gelangen, war eine Tortur, denn sie musste um sämtliche Tische und Stühle herum. Ein Mann versuchte Sheylah doch tatsächlich, auf seinen Schoß zu ziehen, als sie an ihm vorbeiging. Blitzschnell wand sie sich aus seinem Griff und funkelte ihn böse an. Er schaute sie völlig perplex an und schüttelte den Kopf. Ihre Kräfte schienen sie nicht im Stich zu lassen. Gut. Als sie sich zur Bar vorgearbeitet hatte, tippte sie Neela auf die Schulter und diese drehte sich herum. Sheylah stöhnte, eigentlich hätte sie es gleich wissen müssen, denn es war nicht Neela, die sie überrascht anschaute. „Kann ich etwas für dich tun?“, fragte das Mädchen. Bei genauem Hinsehen erkannte Sheylah, dass das Mädchen vor ihr wie Neela zwar auch lange, dunkle und lockige Haare hatte, aber seine Haut weiß war und nicht diesen dunklen Kakaoton besaß wie Neela. „Nein, tut mir leid, ich habe dich wohl verwechselt“, antwortete Sheylah. Sie hätte heulen können und sich gleichzeitig für ihre Dummheit ohrfeigen. Das Mädchen schaute sie noch einen Moment freundlich an, dann reichte es dem Wirt ein kleines Säckchen.
„Ich habe das Salz, wie Ihr verlangt habt.“ „Und das keine Minute zu spät, die Gäste machen langsam Radau, wenn sie nicht bald ihre gesalzene Suppe bekommen“, grummelte er und verschwand in der Küche. Aha, das Mädchen hatte sich also beeilen müssen, deswegen war es auch gerannt. Verdammter Mist. Sie hatte sich zum finstersten Teil der Stadt aufgemacht, um einem Mädchen zu folgen, das abgesehen von den Haaren, nicht einmal annähernd so aussah wie Neela. Der Wirt kam wieder aus der Küche. „Tut mir wirklich leid, dass ich nicht diejenige bin, die du suchst“, beteuerte das Mädchen. Der Wirt, der alles mitbekommen hatte, bot Sheylah freundlicherweise einen Becher Wein an. „Ich nehme ein Bier“, sagte Sheylah, ohne darüber nachzudenken und setzte sich an den einzigen freien Tisch, immer die gaffenden Blicke der Männer im Nacken. Sie war so sauer auf sich selbst, dass sie nur darauf wartete, wieder angemacht zu werden. Dann konnte sie wenigstens ihre Wut an jemandem auslassen. Was sie hier tat, war der reine Wahnsinn. Anstatt sich umgehend auf den Weg zum Schloss zu machen, saß sie allein in einer Spelunke, inmitten von gefährlichen Männern und in einer zwielichtigen Gegend. Wenn das der Graf wüsste! Er hätte ihr bestimmt stundenlange Vorträge darüber gehalten, wie sich eine Prinzessin zu benehmen hat. Das Bier wurde ihr von der vermeintlichen Neela gebracht. „Danke“, sagte Sheylah, als sie das Bier auf den Tisch stellte. Das Mädchen beugte sich zu ihr herunter „Du solltest dich hier nicht zu lange aufhalten. Gefährliche Gegend hier und gefährliche Leute.“ Sheylah nickte und nippte an ihrem Bier. Das Mädchen schaute sie noch einen Moment an und entfernte sich dann, um weitere Bestellungen aufzunehmen. Nach ein paar Minuten legte sich die
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