Shibumi: Thriller (German Edition)
Handflächen aneinander und hakte die Daumen unters Kinn. Er sprach hinter seinen Fingern hervor, mit mechanischer und tonloser Stimme. »Ungefähr ein Jahr, nachdem Hel in Indochina auftauchte, fand man den Arzt, der ihm während der Verhöre die Drogen verabreicht hatte, tot in seiner Abtreibungsklinik in Manhattan auf. Der Coroner bezeichnete den Tod in seinem Bericht als Unfall, einen unglücklichen Sturz, bei dem eines der Reagenzgläser, die er trug, zerbrochen und ihm in die Kehle gedrungen war. Zwei Monate später kam der MP -Sergeant, der den physischen Teil des Verhörs durchgeführt hatte und inzwischen in die Vereinigten Staaten zurückversetzt worden war, bei einem Autounfall ums Leben. Er war scheinbar am Steuer eingeschlafen, mit dem Wagen von der Straße abgekommen und eine steile Klippe hinuntergestürzt. Genau drei Monate darauf befand sich Major Diamond – mittlerweile Lieutenant Colonel Diamond – dienstlich in Bayern. Dort hatte er einen Skiunfall.« Diamond hielt inne und tippte mit dem Zeigefinger an seine Unterlippe.
»Wie ich annehme, ein unglücklicher Sturz?«, erkundigte sich Mr. Able.
»Ganz recht. Nach allem, was man feststellen konnte, war er ungeschickt gesprungen. Man fand ihn mit einem Skistock in der Brust.«
»Hm«, machte Mr. Able nach einer Weile. »So beschützt die CIA also die ihren. Es muss sehr befriedigend für Sie sein, Macht über die Organisation zu haben, die das Leben Ihres Bruders als Teil eines Honorars verhökert hat.«
Diamond blickte zum Deputy hinüber. »Ja. Es ist mir eine große Genugtuung.«
Der Deputy räusperte sich. »Ich bin der CIA eigentlich erst im Frühjahr …«
»Eines interessiert mich noch«, unterbrach Mr. Able. »Warum haben Sie bisher noch keinen Vergeltungsschlag gegen Hel geführt?«
»Ich hab’s schon einmal versucht. Und ich werde es wieder tun. Ich habe Zeit.«
»Sie haben es einmal versucht? Wann war denn … Ach ja, natürlich! Diese Polizisten, die das Haus in Los Angeles umstellten und eine halbe Stunde früher als geplant das Feuer eröffneten! Das war also Ihre Initiative?«
Diamond nickte, als verneige er sich vor einem applaudierenden Publikum.
»Dann unterliegt dem Ganzen von Ihrer Seite ja wohl doch ein Motiv der Rache.«
»Ich handele zum Wohl der Muttergesellschaft. Der Vorsitzende hat mich wissen lassen, dass ein Fehlschlag diesmal nicht akzeptiert werden kann. Wenn Hel eliminiert werden muss, um den Erfolg der Septembristen bei dieser Flugzeugentführung zu garantieren, jawohl, dann wird mir das eine persönliche Genugtuung sein. Dann heißt es, ein Leben gegen das andere, und nicht, wie bei ihm, drei Morde für einmal Prügel.«
»Ich glaube kaum, dass er sie als Morde ansieht. Wohl eher als Hinrichtungen. Und wenn ich mich nicht irre, waren es keineswegs die Schmerzen der Prügel, für die er sich gerächt hat.«
»Was denn sonst?«
»Die Demütigung, die sie für ihn darstellten. Aber das würden Sie niemals verstehen.«
Diamond stieß ein kurzes Lachen aus. »Glauben Sie wirklich, Hel besser zu kennen als ich?«
»In gewisser Weise, ja – trotz der langen Jahre, in denen Sie ihn und seine Aktionen beobachtet haben. Denn wissen Sie, er und ich, wir entstammen – die kulturellen Unterschiede einmal beiseitegelassen – derselben Klasse. Sie werden diesen Hel nie ganz verstehen, denn Sie betrachten ihn über die undefinierbare, aber unüberwindliche Hürde der Erziehung hinweg – über einen weiten, unüberbrückbaren Abgrund, wie es im Koran oder einem dieser Bücher heißt. Doch begeben wir uns nicht auf das Niveau persönlicher Bewertungen hinab. Bestimmt haben Sie diese beiden Plebejer nicht nur hinausgeschickt, um sich an angenehmer Gesellschaft zu erfreuen.«
Diamond blieb einen Moment lang schweigend sitzen; dann atmete er kurz durch und sagte: »Ich habe beschlossen, Hel in seinem Château einen Besuch abzustatten.«
»Dann würden Sie ihm also zum ersten Mal persönlich begegnen?«
»Ja.«
»Und haben Sie bedacht, dass es möglicherweise schwieriger sein wird, aus diesen Bergen wieder herauszukommen als hinein?«
»Das habe ich. Aber ich glaube, dass ich Mr. Hel davon überzeugen kann, wie dumm es wäre, Miss Stern zu helfen. Denn es gibt keinen vernünftigen Grund, warum er diesen Auftrag für ein irregeleitetes junges Mädchen aus der Mittelschicht, das er nicht einmal kennt, ausführen sollte. Hel hat für Amateure jeglicher Couleur nichts als Verachtung übrig, inklusive die des
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