Shimmer
niemand sich um eine schlafende Pennerin kümmerte.
Außer den Cops gelegentlich.
Wie Becket.
Cal hatte das Messer im Meer gewaschen, hatte es wieder in seine Shorts gesteckt und das T-Shirt darübergezogen.
Heute Nacht gab es noch mehr zu tun.
Viel mehr.
77
Die Versuchung, Joshua aus der Wiege zu heben und ihn mit ins Bett zu nehmen, war selten größer gewesen.
Nur dass er später sowieso aufwachen würde. Also war es nicht fair, ihn zu wecken. Joshua brauchte seinen Schlaf – und ich wahrscheinlich auch, dachte Grace, unterdrückte das Verlangen und küsste den kleinen Jungen stattdessen auf seinen wunderschönen Kopf. Dann verließ sie das Kinderzimmer.
Sie legte sich in ihr viel zu leeres Bett.
Ein Bild von Frank Lucca erschien vor ihrem geistigen Auge.
Alt und leidend, wie Claudia ihn beschrieben hatte.
Sie nahm Sams Kissen, drückte es an sich und sog seinen Duft ein.
Die Bilder des alten Mannes verdrängte sie.
Wenn sie aufwachte, würde Sam wieder zu Hause sein.
78
Cal hatte wieder gewartet, diesmal ziemlich lange.
Lange genug, um immer wieder die Streifenwagen vorbeifahren zu sehen.
Und um so sicher zu sein wie nur möglich, dass Sam Becket nicht zu Hause war, dass er Überstunden machte in der Hoffnung, den Doppelmörder zu fassen.
Aus dem mittlerweile ein Dreifachmörder geworden war.
Das letzte Mal war er als Jerome hier gewesen, der schwächliche Sohn von Roxanne Cooper. Ihr geprügelter Junge. Als Mensch nichts wert.
Und Samuel Becket hatte ihm in den Hintern getreten.
Das hätte er nicht tun sollen. Niemals.
Nun hielt Cal, Sohn von Jewel, einen Burger in der behandschuhten Hand, vollgestopft mit drei zermahlenen, starken Schlaftabletten, mehr als genug, um diesem widerlichen kleinen Köter das Maul zu stopfen.
Außer einem niedrigen Gartentor hielt ihn nichts von der Rückseite des Hauses fern – und dann war da die eingezäunte Terrasse mit der Hundeklappe, die direkt ins Haus führte.
Daddy Cop hätte es besser wissen müssen.
Die kleine Teppichratte hatte jedes Mal gekläfft, wenn der Streifenwagen vorbeigefahren war, sodass jetzt wahrscheinlich niemand mehr auf das Gebell achten würde.
Aber irgendwie mussten die Cops Wind davon bekommen haben, dass etwas nicht stimmte. Alle zehn bis fünfzehn Minuten kam ein Streifenwagen vorbei, der letzte erst wenige Minuten zuvor. Cal hatte beschlossen, den nächsten Wagen abzuwarten und dann zuzuschlagen.
Abgesehen von dem Kind war sie allein – da war Cal sich ziemlich sicher.
Seit er hier war, hatte er nur einen Schatten am Fenster gesehen.
Den einer Frau.
Stiefschwester Grace.
Cal erinnerte sich an den Vorwurf in ihren Augen, den er beide Male gesehen hatte, als er vorbeigekommen war.
Dreckige Schlampe.
Sie hätte wissen sollen, wie es der letzten Frau ergangen war, die ihn so angeschaut hatte. Das hätte ihre Meinung schnell geändert.
Nur ein bisschen Respekt und zehntausend Dollar.
Wahrscheinlich hätte er sich auch mit fünftausend zufriedengegeben, hätten sie ihm die angeboten.
Doch Becket hatte ihm in den Hintern getreten.
Grace wachte wieder auf, als Woody erneut anschlug. Seit David und Saul fort waren, geschah dies mit schöner Regelmäßigkeit mindestens alle fünfzehn Minuten. Grace überlegte, ob sie die Cops nicht darum bitten sollte, nur zweimal in der Stunde vorbeizufahren.
Doch da die Kriminalitätsrate auf diesen Inseln zu den niedrigsten in Florida gehörten, waren sie vermutlich ganz froh, helfen zu können. Und da Sam, der einer von ihnen war, sie darum gebeten hatte, würden sie wahrscheinlich ohnehin nicht auf Grace hören.
Außerdem wurde Grace lieber mehrmals in der Nacht aus dem Schlaf gerissen, als dass sie bei einem Mann wie Jerome etwas riskieren wollte.
Grace seufzte, stand auf und schaute noch einmal nach, ob Joshua aufgewacht war.
Er schlief tief und fest.
Grace ging zum Fenster, beobachtete, wie die Rücklichter des Streifenwagens sich gemächlich entfernten, und war beruhigt.
Das war ja auch der Sinn der Sache.
»Schlaf weiter«, rief sie leise die Treppe zu Woody hinunter.
Sein Gebell verstummte.
Grace ging wieder ins Bett.
Bald ist Sam zurück.
Mit diesem Gedanken schlief sie ein.
Cal wusste, was man tun musste, um leise zu sein.
Er hatte sich diese Fertigkeit in den Jahren angeeignet, als er auf Zehenspitzen an jedem Zimmer vorbeigeschlichen war, in dem seine Mutter sich gerade aufgehalten hatte.
Allerdings war es ihm nicht immer gelungen, denn Jewels Ohren
Weitere Kostenlose Bücher