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Shimmer

Shimmer

Titel: Shimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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ihn gefragt.
    Hätte sie ihm die Chance gegeben, er hätte es ihr gesagt.
    Stattdessen hatte sie ihn geschlagen.
    »Ich habe es nicht so gemeint«, sagte Cal nun.
    Und warf noch einen raschen Blick auf das Kind.
    Zu still.
    Cal wandte sich wieder ab.
    »Es tut mir leid«, sagte er. »Es tut mir schrecklich leid.«

99
     
    Das Boot ihres Nachbarn hieß Windswept .
    Sie waren zu dritt an Bord. Alle trugen Rettungswesten und die besten Decksschuhe, die sie in der kurzen Zeit in ihrem eigenen und Drew Millers Kleiderschrank hatten auftreiben können. Martinez hatte genau wie Grace darauf bestanden mitzukommen. Sechs Augen sähen mehr als vier, hatte er gesagt, und niemand hatte ihm widersprochen; doch als Miller sich anbot, sie rauszufahren, hatten sie abgelehnt, denn Sam wäre nie das Risiko eingegangen, dass ein Zivilist bei der Aktion zu Schaden kam.
    »Sollte das Boot beschädigt werden, kümmern wir uns darum«, hatte Sam zu ihm gesagt.
    »Glaubst du, das schert mich einen Dreck?«, hatte Miller erwidert. »Hauptsache, du findest deinen Sohn.«
    Ein plötzlicher Anflug von Liebe hatte Sam den Mann in den Arm nehmen lassen. Dann hatte Miller ihnen die Steuerung erklärt, hatte ihnen beim Losmachen geholfen und war ins Haus zurückgekehrt.
    »Riley hat gerade angerufen«, sagte Martinez zu Sam, als sie sich in Bewegung setzten. »Sie ist mit Alvarez rausgefahren, und noch weitere von unseren Leuten sind mit Booten unterwegs.« Er lächelte grimmig. »Klingt wie Dünkirchen.«
    »Das ist toll«, sagte Sam.
    Später würde noch genug Zeit sein, allen zu danken.
    »Vorsichtig«, mahnte Grace.
    Keiner von ihnen hatte Erfahrung auf dem Meer, auch wenn Grace vor ein paar Jahren über die Anschaffung eines kleinen Bootes nachgedacht hatte, bis eine schreckliche Erfahrung diesen Plänen ein Ende bereitete, die sie nie gänzlich hatte vergessen können.
    Doch Gott wusste, dass sie noch weit Schlimmeres auf sich genommen hätte, um Joshua zu retten.
    »Du musst zwischen den Bojen bleiben«, erklärte Martinez. »Ich weiß nicht viel, nur dass es hier ziemlich flach ist, und wenn wir auf Grund laufen, fahren wir nirgendwo mehr hin.«
    »Schaut aufs Wasser«, sagte Sam.
    Weder Grace noch Martinez mussten daran erinnert werden.
    Der Regen hatte zugenommen und war inzwischen zu einer typischen Florida-Flut angeschwollen, sodass man nicht mehr so weit sehen konnte und sich entsprechend konzentrieren musste. Die gelegentlichen Blitze ließen das dunkle Wasser silbern schimmern und gewährten für Sekunden freien Blick auf die unruhige See um das Powerboot. Sie hatten zwei Taschenlampen und einen Suchscheinwerfer, den ihnen einer der Streifenpolizisten gegeben hatte, sowie ein Fernglas von Drew Miller, doch das nur manchmal aufflackernde Licht rief mehr Illusionen hervor, als dass es Klarheit brachte. Und als Sam die Windswept vorsichtig nach Indian Creek hineinlenkte, machte Grace’ Herz jedes Mal einen Sprung, wann immer sie im Licht der Blitze Schaumkronen auf den Wellen sah.
    Er ist näher, als du denkst , hatte Cooper gesagt.
    Aber vielleicht waren das ja nur irgendwelche Psychospielchen gewesen. Vielleicht war es sein perverser Wunsch, sie hierherzulocken, und vielleicht war Joshua doch noch an Land.
    Aber das glaubte Grace nicht.
    »Moses wurde auf einem Fluss gefunden«, sagte sie.
    »Meinst du den Miami River?«, fragte Martinez.
    »Schaut einfach aufs Wasser«, mahnte Sam.

100
     
    Cal hatte seine Vorbereitungen abgeschlossen.
    Die Regenflut hatte nachgelassen, und er hatte den Eindruck, dass es nicht mehr ganz so dunkel war wie zuvor.
    Am Horizont waren die ersten Sonnenstrahlen zu sehen.
    Immer weiter bis zum Morgengrauen.
    Einmal war Jewel mit ihm ins Kino gegangen, zu Hause in Peoria, in eine Vorstellung von Peter Pan , bevor sie auf der Suche nach einem besseren Leben nach Norden gezogen waren. Schon damals war Jewel mehr als seltsam gewesen, und in Chicago war dann alles noch viel schlimmer geworden.
    Cal erinnerte sich, wie sehr er den Disney-Film genossen hatte, und Jewel war ihm an jenem Nachmittag fast wie eine ganz normale Mutter erschienen.
    Doch dieser Eindruck hatte nicht mal bis zum Abend angehalten.
    »He, Mom«, sagte er nun zu ihr.
    Er war nicht sicher, ob er mit der Leiche unten sprach oder mit etwas anderem, das viel weiter entfernt war.
    Jewel würde nicht in den Himmel kommen, so viel stand fest.
    Die plötzliche Erkenntnis, dass sie vermutlich in der Hölle auf ihn wartete, verlieh dem, was Cal im

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