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Shining Girls (German Edition)

Shining Girls (German Edition)

Titel: Shining Girls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Beukes
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fest.
    «He, Velasquez, ich rede mit dir», sagt Harrison. «Hast du deine Kaffeebestellung fertig?»
    «Was?» Er späht über seine Brille, neue Gleitsichtgläser, die ihn genauso durcheinanderbringen wie das neue Textverarbeitungsprogramm. Was stimmte denn mit Atex nicht? Er
mochte
Atex. Verdammt, er mochte auch seine Olivetti-Schreibmaschine. Und seine alte Brille.
    «Für deine Praktikantin.» Harrison vollführt eine Ta-daa-Geste in Richtung eines Mädchens, das garantiert frisch aus dem Kindergarten kommt, mit seiner wilden Kindergarten-Mähne, die in alle Richtungen absteht, einem bunten Ringelschal um den Hals und passenden fingerlosen Handschuhen, einer schwarzen Jacke mit mehr Reißverschlüssen, als es nur annähernd praktisch sein kann, und noch schlimmer, einem Ohrring in der Nase. Dieses Mädchen geht ihm schon aus Prinzip auf die Nerven.
    «Oh nein. Nein. Okay? Ich nehme keine Praktikanten.»
    «Sie hat nach dir gefragt. Namentlich.»
    «Noch ein Grund mehr dagegen. Sieh sie dir bloß mal an. Die interessiert sich doch nicht mal für Sport.»
    «Ich freue mich wirklich, Sie kennenzulernen, Mr. Velasquez», sagt das Mädchen. «Ich bin Kirby.»
    «Das spielt keine Rolle, weil ich nie mehr mit dir reden werde. Ich sollte nicht mal hier sein. Also tut so, als wäre ich nicht da.»
    «Netter Versuch, Velasquez.» Harrison zwinkert ihm zu. «Sie gehört ganz dir. Aber keine Anzüglichkeiten.» Er geht weiter, um die übrigen Praktikanten anderen Reportern zuzuteilen, die wesentlich qualifizierter und bereitwilliger dazu sind.
    «Sadist!», brüllt ihm Dan nach und wendet sich dann widerwillig an die junge Frau. «Super. Willkommen. Du solltest dir einen Stuhl ranziehen, schätze ich. Und vergiss den Mister Velasquez. Ich heiße Dan. Wir haben’s hier in der Redaktion nicht so mit Förmlichkeiten. Ich vermute, du hast nicht zufällig eine Meinung zur diesjährigen Mannschaftsaufstellung der Cubs?»
    «Sorry. Ich hab’s nicht so mit Sport. Ist nicht böse gemeint.»
    «Ich wusste es.» Velasquez starrt wütend den blinkenden Cursor auf seinem Bildschirm an. Der Cursor verhöhnt ihn. Auf Papier konnte man wenigstens noch Männchen malen oder es zusammenknüllen und seinem Chefredakteur an den Kopf werfen. Aber sein Computerbildschirm ist unangreifbar. Genau wie der Kopf des Chefredakteurs.
    «Ich interessiere mich eigentlich mehr für Gewaltverbrechen.»
    Er dreht sich langsam mit seinem Bürostuhl ganz zu ihr um. «Tatsächlich? Tja, dann habe ich richtig schlechte Neuigkeiten für dich: Ich schreibe über Baseball.»
    «Aber früher hast du über Mordfälle geschrieben», insistiert das Mädchen.
    «Ja, ja, genau wie ich früher geraucht und getrunken und Schinken gegessen und trotzdem keinen einzigen verfluchten Stent in der Brust habe. Alles ein direktes Ergebnis davon, fürs Kriminalressort gearbeitet zu haben. Vergiss es. Das ist nichts für ein nettes Möchtegern-Hardcore-Punkgirl wie dich.»
    «Es gibt keine Praktikumsstellen im Kriminalressort.»
    «Und aus gutem Grund. Kannst du dir vorstellen, wie irgendwelche Kids an einem Tatort herumrennen? Echt!»
    «Und deshalb bist du derjenige, mit dem ich noch am dichtesten an das Thema herankomme.» Sie zuckt mit den Schultern. «Übrigens: Du hast über meinen Mordfall berichtet.»
    Er ist sprachlos, aber nur einen Moment lang. «Also, Kleine, wenn du ernsthaft über Verbrechen schreiben willst, musst du dir erst mal eine präzise Ausdrucksweise angewöhnen. Bei dir wäre es also ein ‹Mordversuch›. Wie in ‹misslungen›. Klar?»
    «So fühlt es sich aber nicht an.»
    «
Qué cruz
.» Er tut so, als würde er sich die Haare raufen. Nicht, dass er noch viele hätte. «Rufst du mir mal ins Gedächtnis, welcher von Chicagos vielen Mordfällen du sein willst?»
    «Kirby Mazrachi», gibt sie zurück, und alles fällt ihm wieder ein, noch bevor sie ihren Schal abgewickelt hat, um ihm die unregelmäßige Erhebung quer über ihrer Kehle zu zeigen, wo sie der Irre geschnitten und die Halsschlagader gestreift, aber nicht durchtrennt hat, wenn er sich richtig an den Bericht des Gerichtsmediziners erinnert.
    «Mit dem Hund», sagt er. Er hat den Zeugen interviewt, einen kubanischen Fischer, dessen Hand während des gesamten Interviews zitterte, der allerdings, wie Dan zynisch gedacht hatte, rechtzeitig vor dem Eintreffen der Fernsehleute dazu imstande war, sich zusammenzureißen.
    Der Mann hatte beschrieben, wie er sie aus dem Wald stolpern sah, während ihr

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