Shining Girls (German Edition)
entblößte, nur für einen Augenblick, eine mädchenhafte Schulter, die Kurve eines Bauchs, ein Aufblitzen bemalter Lippen, hell wie ein Glühwürmchen. Dann bewegte sie sich zu dem anderen Ärmel, zog ihn herab und warf ihn in die Zuschauermenge. Nun waren zwei leuchtende Arme vom Ellbogen abwärts zu sehen, die sich lustvoll verdrehten, das Publikum lockten:
Kommt näher
. Die Leute gehorchten, wie Kinder, scharten sich vor der Bühne, drängten sich gegenseitig weg, um einen besseren Blick zu haben, und warfen den langen Ärmelhandschuh in die Luft, sodass er von Hand zu Hand weiterging. Schließlich landete der Handschuh vor Harpers Füßen – ein verknittertes Ding mit Radiumfarbstreifen wie Innereien.
«Hey, Andenken gibt’s nicht», sagte der hünenhafte Türsteher und schnappte sich den Handschuh aus Harpers Fingern. «Hergeben. Das gehört Miss Klara.»
Auf der Bühne wanderten die Hände hinauf zu der Kapuze mit dem Schleier, hakten sie auf, befreiten so eine Lockenmähne und enthüllten ein scharf geschnittenes, kleines Gesicht mit einem breiten, geschwungenen Mund und riesenhaften blauen Augen unter flatternden Wimpern, auf deren Spitzen ebenfalls Farbe aufgetragen worden war, sodass auch sie leuchteten. Ein hübsches, abgeschlagenes Köpfchen schien gespenstisch über der Bühne zu schweben.
Miss Klara ließ die Hüften kreisen, bog die Arme über dem Kopf und wartete auf das spannungsvolle Leiserwerden der Musik, sodass sie die Zimbeln, die sie zwischen den Fingern hielt, klingen lassen konnte, bevor sie ein weiteres Kleidungsstück ablegte, wie ein Schmetterling, der die Falten eines schwarzen Kokons abschüttelt. Doch Harper fühlte sich durch die Bewegung mehr an die Windungen einer Schlange erinnert, die ihre alte Haut abstreift.
Darunter trug sie zarte Flügel und ein Kostüm, auf das insektenartige Segmente aufgenäht waren. Sie flatterte mit den Fingern, blinzelte mit den großen Augen und ließ sich zwischen den Stofffalten in eine verdrehte Pose sinken wie ein sterbender Nachtfalter. Als sie sich wieder aufrichtete, hatte sie ihre Arme in Ärmelöffnungen der weißen Gaze-Stoffbahnen geschoben, die auf der Bühne lagen, und ließ den Stoff um sich wirbeln. Über der Bar erwachte ein Projektor zum Leben und warf verschwommene Schmetterlingssilhouetten auf den Gazestoff. Jeanette Klara verwandelte sich in ein durch die Luft gaukelndes, schwirrendes Wesen in einem Wirbelwind illusionärer Insekten. Er aber musste an Heuschreckenplagen und Schädlingsbefall denken. Er betastete das Klappmesser in seiner Tasche.
«Sank you! Sank you!», sagte sie am Schluss mit ihrer Kleinmädchenstimme, als sie, nur mit der Farbe und einem Paar Stöckelschuhen angetan auf der Bühne stand, die Arme über der Brust gekreuzt, als hätten nicht alle schon gesehen, was es zu sehen gab. Sie warf dem Publikum eine Kusshand zu, wobei die Enthüllung ihrer rosa Brustwarzen johlende Begeisterungsstürme auslöste. Sie riss die Augen auf und kicherte kokett. Hastig bedeckte sie ihre Brüste wieder, spielte die Sittsame und ging mit hohen, tänzelnden Sprüngen von der Bühne ab. Einen Augenblick später kehrte sie zurück, wirbelte über die ganze Bühne, mit erhobenen und triumphierend ausgebreiteten Armen, emporgerecktem Kinn, glitzernden Augen, das Publikum auffordernd, sie anzusehen, sich mit Blicken zu befriedigen.
Es kostete ihn nur den Penny für die Bonbonschachtel, die nach dem Abend unter seinem Jackett etwas eingedellt war. Der Türsteher war abgelenkt, als er hinausging, weil sich gerade eine Dame aus der besseren Gesellschaft unter dem Spott ihres Mannes und seiner Freunde auf die Eingangstreppe übergab.
Er stand wartend vor der Hintertür des Clubs, als sie mit ihrem Requisitenkoffer herauskam. Vor der Kälte schützte sie sich mit einem dicken, zugeknöpften Mantel über dem Glitzerkostüm, über ihr Gesicht zogen sich noch die Schweißspuren durch die Leuchtfarbe, die sie nur nachlässig abgewischt hatte. Ihr Schimmern verlieh ihren Gesichtszügen scharfe Konturen und dunkle Höhlen unter den Wangenknochen. Sie wirkte angespannt und erschöpft, hatte nichts von ihrem Elan auf der Bühne, und einen Augenblick zweifelte Harper an sich selbst. Doch dann sah sie die Süßigkeiten, die er ihr mitgebracht hatte, und eine zerbrechliche Begierde hellte sie auf. Sie war nie entblößter gewesen als in diesem Moment, dachte Harper.
«Für mich?», fragte sie so entzückt, dass sie sogar ihren
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