Shining Girls (German Edition)
Umschlagbild bereiten sich ein Superheld, dessen Dress die amerikanischen Farben hat, und sein Sonnyboy-Assistent darauf vor, mit den hässlichen Sozi-Wirrköpfen aufzuräumen, die aus einer Tunnelöffnung kriechen. Auf dem Umschlag des anderen Heftchens ringt ein attraktiver Geheimagent mit einer pistolenschwenkenden Dame im roten Kleid, während ein vollbärtiger Russki-Soldat auf dem Teppich verblutet. Über dem Kamin hängt das Bild einer Schneelandschaft mit streifigem rotem Himmel, und durchs Fenster sieht man die Umrisse von Minaretten.
Admiral Zacharias’ Secret Missions
heißt das Heft, über der Umschlagabbildung steht in Riesenlettern:
Gefahr! Verschwörung! Geheimnisse! Action!
Die Frau sieht Willie ein bisschen ähnlich, das gleiche pechschwarze Haar. Besonders subtil ist das nicht. Bloß lächerlich. Nur, dass es das nicht ist.
Sie setzt sich auf ihren Drehstuhl mit dem wackeligen Rad, der gefährlich zu einer Seite kippt, und blättert mit ernstem Gesicht durch die Comics. Dann wirbelt sie halb mit ihrem Stuhl herum, um den Riesen mit dem üppigen Haar und dem blauen Hemd mit dem weißen Kragen anzupfeifen, der sie vom Wasserspender aus beobachtet. Ein Meter fünfundneunzig und auf der ganzen Länge ein Arschloch. Derselbe Typ, der ihr erklärt hat, dass eine weibliche Architektin in diesem Büro einzig und allein aus dem Grund angestellt wurde, damit sie den Telefondienst übernimmt. Und wie oft ist sie ans Telefon gegangen, seit sie vor acht Monaten hier angefangen hat? Kein einziges Mal.
«Hey, Stewie, deine lustigen Heftchen sind nicht lustig.» Sie hält sie mit beiden Händen, als würden sie eine Tonne wiegen, und lässt sie dann theatralisch in den Papierkorb fallen. Die Spannung, von der sie nicht einmal gewusst hat, dass sie besteht, löst sich, und ein paar von den Typen lachen leise. Die gute alte Willie. George täuscht eine Rechts-links-Kombination gegen Stewarts Kinn vor. K.o. Das Arschloch hebt in gespielter Verteidigung die Hände, und mehr oder weniger alle machen sich wieder an die Arbeit.
Spielt ihr die Phantasie einen Streich, oder liegen die Sachen auf ihrem Schreibtisch ein bisschen anders geordnet? Ihr 0 , 25 -mm-Tuschezeichner liegt rechts von ihrer Reißschiene und dem Rechenschieber, aber normalerweise legt sie ihn auf die andere Seite, weil sie Linkshänderin ist.
Herrgott noch mal, sie ist nicht mal Sozialistin und erst recht nicht eingetragenes Mitglied der Kommunistischen Partei. Aber sie ist Künstlerin. Und das ist heutzutage schon schlimm genug. Denn Künstler verkehren mit allen möglichen Leuten. Zum Beispiel mit Schwarzen und Linksradikalen und Menschen mit eigener Meinung.
Dass sie William Burroughs’ Werke unverständlich findet und genauso den ganzen Bohei darum, dass es die
Chicago Review
gewagt hat, seine überspannte Pornographie zu publizieren, ist irrelevant. Sie war noch nie eine große Leserin. Aber sie hat Freunde unten in der Künstlerkolonie an der 57 th Street – Schriftsteller und Maler und Bildhauer. Sie hat dort auf dem Markt ihre Skizzen verkauft. Weibliche Akte. Freundinnen, die für sie Modell gesessen haben. Mehr oder weniger freizügige Darstellungen. Das macht sie aber noch nicht zu einer Kommunistin, verdammt. Selbst wenn es Dinge gibt, die sie lieber nicht in aller Öffentlichkeit bekannt geben würde. Und für die meisten Leute ist das sowieso alles dasselbe. Sozis, Staatsfeinde, Homosexuelle.
Um das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken, beschäftigt sie sich mit einem Pappmodell der neuen Wood Hill Bungalows, an denen sie gerade arbeitet. Sie hat fünfzig Skizzen dafür angefertigt, aber es fällt ihr leichter, sich die Häuser vorzustellen, wenn sie ein dreidimensionales Modell hat. Sie hat auf der Grundlage der vielversprechendsten Ideen schon fünf davon gebaut, mehr oder weniger nach dem Vorbild der Planungsskizze, die ihr George gegeben hat. Es ist schwer, eigene Gedanken zu entwickeln, nachdem man höchst detailliert in die Firmenphilosophie eingewiesen wurde. Das Rad kann man nicht neu erfinden. Aber man kann ihm einen persönlichen Dreh verleihen.
Es sind Arbeiterhäuser, die zu einem einzelnen Bauprojekt gehören, das unverhohlen nach dem Vorbild von Park Forest und seiner in sich abgeschlossenen Innenstadt mit eigener Bank und eigenem Marshall-Fields-Kaufhaus gestaltet wird. Er lässt sie allein daran arbeiten, bis hin zur Möblierung und den Lampen. Sie wird die Präsentation nicht selbst machen, aber er hat gesagt,
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