Shining Girls (German Edition)
Town sitzt. Sie trägt einen engen Pulli mit einem verspielten Muster sich aufbäumender Pferde. Sie lächelt beim Zeichnen in sich hinein, ihr schwarzes Haar fällt nach vorn, während sie flüchtige Impressionen von Gesichtern, anderen Gästen oder Passanten einfängt. Karikaturen, die sie in Sekunden aufs Blatt hinwirft, die aber pfiffig sind, wie er bei einem schnellen Blick über ihre Schulter feststellt.
Er nutzt die Gelegenheit, als sie die Stirn runzelt, die letzte Skizze vom Block reißt, sie in der Faust zerknüllt und wegwirft. Der Papierball fällt nahe genug bei ihm auf den Bürgersteig, dass er so tun kann, als würde er ihn beim Gehen bemerken. Er beugt sich hinunter, hebt ihn auf und streicht ihn glatt.
«Oh, tun Sie das nicht», sagt sie halb lachend, halb beschämt, als wäre sie auf die Straße gegangen, ohne zu bemerken, dass sie sich versehentlich den Rocksaum in die Strumpfhose gesteckt hat. Doch als sie das Metall um sein Gesicht sieht, schweigt sie erschrocken.
Die Zeichnung ist gut. Lustig. Sie hat die eitle Überheblichkeit der hübschen Frau mit dem Brokatjäckchen erfasst, die vorher über die Straße geeilt ist, mit einem v-förmigen, scharf vorspringenden Kinn und spitzen kleinen Brüsten, und dazu passend ein kleiner Hund, der genauso eckig ist wie sie. Sie hat einen Tintenstreifen über der Nase, die sie sich abwesend gerieben hat.
«Ss hbn ds flln lssn.»
«Ja. Danke», sagt sie und steht halb auf. «Warten Sie, kann ich Sie zeichnen? Bitte.»
Harper schüttelt den Kopf und geht weiter. Er hat das schwarzsilberne Art-déco-Feuerzeug auf ihrem Tisch gesehen und ist nicht sicher, ob er sich beherrschen kann.
Willie Rose
.
Es ist noch nicht die rechte Zeit.
Dan
9 . Mai 1992
Er hat sich schon an sie gewöhnt. Es liegt nicht bloß an der bequemen Lieferung der nervigen Recherche-Inhalte, um die er sich sonst von unterwegs aus selbst kümmern müsste, oder daran, dass er Telefonate an sie delegieren kann, wenn er ein knackiges Zitat braucht. Es ist ihre Anwesenheit im Allgemeinen.
Er nimmt sie am Samstag mit zum Mittagessen ins Billy Goat, damit sie sich «akklimatisieren» kann, bevor er mit ihr auf die Pressetribüne zu einem Live-Spiel geht. Im Billy Goat hängen Großbildschirme und Fanartikel an der Wand, die Plastikstühle sind grün und orange, und besucht wird es von vielen alten Stammgästen, darunter zahlreiche Journalisten. Es wird mäßig getrunken, und das Essen ist gut, auch wenn der Laden Touristen anlockt, seit sie bei
Saturday Night Live
die Cheezborger-Nummer mit John Belushi gezeigt haben, die sie kennt, wie er feststellt.
«Ja, aber das Billy Goat war schon lange davor berühmt-berüchtigt», sagt er. «Das ist Cubs-Geschichte. 1945 hat der Besitzer der Kneipe versucht, mit einem richtigen Geißbock zum Spiel auf das Wrigley Field zu gehen. Hat dem Geißbock eine Eintrittskarte gekauft und alles, aber er wurde rausgeworfen, weil Mr. Wrigley entschieden hat, dass das Vieh zu streng riecht. Der Typ war so sauer darüber, dass er auf der Stelle feierlich prophezeit hat, die Cubs würden niemals die World Series gewinnen. Und das haben sie auch nie.»
«Also liegt es nicht bloß daran, dass sie scheiße sind?»
«Weißt du, das gehört genau zu den Sachen, die du auf der Pressetribüne nicht sagen kannst.»
«Ich fühle mich wie die Eliza Doolittle des Baseballs.»
«Wer?»
«
My Fair Lady
? Du verpasst mir einen Imagewechsel, damit ich in der Öffentlichkeit präsentabel bin.»
«Und damit habe ich echt einen Haufen Arbeit vor mir.»
«Du könntest selber ein paar Feinüberarbeitungen vertragen, weißt du?»
«Ach wirklich?»
«Diese Schlampig-aber-beinahe-gut-aussehend-Masche steht dir gut, aber du brauchst bessere Klamotten.»
«Warte, ich bin gerade ganz durcheinander. Flirtest du jetzt mit mir oder willst du mich beleidigen? Und ausgerechnet du willst mir was über Kleidung erzählen? Deine gesamte Garderobe besteht doch nur aus T-Shirts mit Bands drauf, von denen noch kein Mensch je gehört hat.»
«
Du
hast noch nie von ihnen gehört. Du solltest gelegentlich mal bei mir in die Lehre gehen. Ich nehme dich zu einem Konzert mit.»
«Das wird nicht passieren.»
«Oh, und wo wir gerade über Lehre reden, könntest du diese Kurzreferate von mir gegenlesen, bevor das Spiel anfängt und ich aufpassen muss?»
«Ich soll deine Hausaufgaben für dich machen? Hier?»
«Die sind schon fertig. Ich will nur, dass du den Korrektor für mich spielst.
Weitere Kostenlose Bücher