Shining Girls (German Edition)
und Spezialeffekte sein. Hollywoodscheiß. Es ist total dumm, sich darüber so aufzuregen.
Aber er wird nicht zurückgehen. Um keinen Preis, sagt er sich. Und er weiß schon, dass er es natürlich doch tun wird.
Sobald er mal wieder knapp bei Kasse ist. Sobald ihn mal wieder die Sucht packt. Der Stoff nimmt keine Rücksicht, nicht auf Liebe, nicht auf Familie und auf Angst definitiv nicht. Schick den Teufel und den Stoff in den Boxring, und der Stoff gewinnt. Jedes einzelne Mal.
Kirby
22 . November 1931
Sie weiß nicht, was sie da anschaut. Eine Art Denkmal. Einen Schrein, der den gesamten Raum einnimmt. Erinnerungsstücke hängen in unverständlichen Anordnungen an den Wänden, stehen auf dem Kaminsims aufgereiht, auf der Kommode mit dem gesprungenen Spiegel, dem Fensterbrett, auf dem nackten Metallgestell des Bettes (die Matratze liegt auf dem Boden, ein dunkler Fleck zeichnet sich unter dem Laken ab). Um die Gegenstände sind mit Kreide oder schwarzem Stift oder einer Messerspitze, die in die Tapete gedrückt wurde, Kreise gezogen. Daneben stehen Namen. Ein paar davon kennt sie auswendig. Die anderen sind ihr fremd. Sie fragt sich, wer sie waren. Ob sie es geschafft haben, sich zu wehren. Sie muss versuchen, sich das zu merken. Wenn sie nur lange genug auf die Worte schauen könnte, um sie zu lesen. Wenn sie nur einen verdammten Fotoapparat hätte. Es fällt ihr schwer, sich zu konzentrieren. Alles wirkt verschwommen, flackert in der Scharfeinstellung wie unter Stroboskoplicht.
Kirby lässt ihre Hand durch die Luft schweben, kann sich nicht dazu bringen, die Kostüm-Schmetterlingsflügel zu berühren, die am Bettpfosten hängen, oder den weißen Plastikausweis mit einem Strichcode von Milkwood Pharmaceuticals.
Natürlich, denkt sie, das Pony ist hier. Was bedeutet, dass das Feuerzeug auch da ist. Sie klammert sich an die kühle Rationalität, versucht, die Einzelheiten zu verarbeiten. Nur die Fakten, bitte. Aber der Tennisball macht all das zunichte. Er lässt sie in den freien Fall stürzen wie einen Aufzug, dessen Zugkabel durchgeschnitten wurden. Der Ball ist an einer gerissenen Naht an einem Nagel aufgehängt. Ihr Name ist mit Kreide daneben auf die Tapete geschrieben. Sie kann die Formen der Buchstaben erkennen. Kirby Mazrachi.
Sie fühlt sich wie betäubt. Das Schlimmste ist schon passiert. Hat sie nicht genau danach gesucht? Beweist das nicht alles? Aber sie beginnt so stark zu zittern, dass sie die Hände auf den Bauch pressen muss. Die alten Narben unter ihrem T-Shirt strahlen reflexartige Schmerzen aus. Und dann ruckelt ein Schlüssel unten im Türschloss.
Oh gottverfluchter Mist. Kirbys Blick rast durch das Zimmer. Es gibt keinen anderen Ausgang, nichts, was sie als Waffe einsetzen könnte. Sie zerrt an dem Schiebefenster, um auf die Feuerleiter zu steigen, die außen an der Rückwand des Hauses hochführt, aber das Fenster klemmt.
Sie könnte versuchen zu fliehen, an ihm vorbeipreschen, wenn er hereinkommt. Wenn sie es nach unten schafft, könnte sie mit dem Wasserkessel nach ihm schlagen.
Oder sich verstecken.
Die Schlüssel rasseln nicht mehr. Sie nimmt die Feiglingslösung. Sie schiebt die Kleiderbügel mit Hemden und lauter gleichen Jeans zur Seite und steigt in den Schrank, zieht die Beine unter sich, kauert auf seinen Schuhen. Es ist eng, aber wenigstens ist es massives Walnussholz. Sie kann an die Tür treten, sodass sie ihm ins Gesicht kracht, falls er den Schrank aufmachen will.
Das hat ihr der Selbstverteidigungstrainer gesagt, zu dem sie gegangen ist, weil ihr Psychiater darauf bestanden hat. Sie muss die Kontrolle wiedergewinnen. «Alles, was du erreichen musst, ist genügend Zeit, um wegzukommen. Bring ihn zu Boden und lauf.» Es war immer ein «Er», all diese Täter, die Gewalt gegen Frauen ausübten. Als ob Frauen nicht imstande wären, Böses zu tun. Der Trainer hat verschiedene Methoden vorgeführt. Stoß ihm die Finger in die Augen, schlag ihm die Handfläche unter die Nase oder auf die Kehle, ramm ihm den Absatz auf den Fußspann, reiß ihm das Ohr ab (Knorpel reißt leicht) und wirf es ihm vor die Füße. Versuch nicht, ihm an die Eier zu gehen, denn das ist genau der Angriff, mit dem Männer rechnen und vor dem sie sich schützen. Sie haben Hiebe und Schläge geübt und wie man sich aus einem Griff windet. Aber jeder in dem Kurs hat sie behandelt, als würde sie stören. Sie war ihnen zu echt.
Unten hört sie einen Mann ins Haus poltern.
«Co za wkurwiające
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