Shining Girls (German Edition)
gówno!»
Er klingt betrunken. Ein Pole vielleicht.
Er ist es nicht
, denkt sie und weiß nicht recht, ob ihr vor Erleichterung oder Enttäuschung schwindelig wird. Sie hört den Mann in den Flur taumeln, zur Küche, hört Eiswürfel in ein Glas fallen. Er stapft in den Salon und macht sich an irgendetwas zu schaffen. Einen Augenblick später setzt Musik ein, verrauscht und sentimental.
Sie hört wieder die Haustür aufgehen, dieses Mal wird sie verstohlen geöffnet. Doch obwohl er betrunken ist, hat der Pole es auch gehört.
Im Schrank hängt der Geruch nach Mottenkugeln und vielleicht ein ganz schwacher Hauch von
seinem
Schweiß. Bei dem Gedanken an diese Möglichkeit wird ihr schlecht. Sie zupft an der Farbe auf der Rückseite der Tür herum. Die alten Ticks stellen sich wieder ein. Nachdem es passiert war, hat sie eine Weile so lange an ihrer Nagelhaut herumgezupft, bis sie blutete. Aber sie hat genug für ihn geblutet. Genug für ein ganzes Leben. Die Schranktür kann es aber verkraften, besonders, wenn Kirby dadurch davon abgehalten wird, etwas Unüberlegtes zu tun, wie einfach aus dem Schrank zu stürmen, weil die Dunkelheit in seinem Innern mit einem Gewicht und einem Druck auf ihr lastet, als tauche sie am tiefen Ende eines Swimmingpools.
«Hej!»
Der Pole schreit die Person an, die ins Haus kommt.
«Coś ty za jeden?»
Er rennt durch den Flur. Sie hört die sich hebenden und senkenden Stimmen einer Unterhaltung, aber sie kann die Worte nicht verstehen. Schmeicheln. Abrupte Antworten. Ist das seine Stimme? Sie weiß es nicht. Dann folgt ein satter Knall. Eine Kuh, die mit einem Bolzenschussgerät in den Kopf geschossen wird. Kreischen, schrill und würdelos. Noch ein Schlachthaushieb. Noch einer. Kirby kann sich nicht mehr beherrschen. Ein leiser, tierischer Laut windet sich durch ihren Körper empor, und sie presst sich beide Hände vor den Mund.
Unten hört plötzlich das Kreischen auf. Sie spitzt die Ohren, beißt sich in die Handfläche, um nicht zu schreien. Ein dumpfes Poltern. Ein ungleicher Kampf, Keuchen und Fluchen. Und dann das Geräusch, mit dem jemand die Treppe heraufkommt, jemand mit einer Krücke, die mit einem
Tok-Tok
an jede Stufe schlägt.
Harper
22 . November 1931
Die Tür schwingt in die Vergangenheit auf, und Harper – einen schmuddeligen Tennisball in der Hand, aber ohne sein Messer – humpelt hindurch und praktisch einem Bär von einem Mann direkt in die Arme. Der Mann ist betrunken und hält einen gerupften Truthahn an einem gänsehautpickligen Schenkel fest. Als Harper den Mann das letzte Mal gesehen hat, war er tot.
Der Mann stürzt sich brüllend und den Vogel wie einen Totschläger schwenkend auf ihn.
«Hej! Coś ty za jeden
?
Co ty tu kurwa robisz?
Myślisz, że możesz tak sobie wejść do mojego domu?»
«Hallo», sagt Harper, der schon weiß, wie die Sache ausgeht, freundlich. «Wenn ich etwas für Wetten übrig hätte, würde ich darauf setzen, dass Sie Mr. Bartek sind.»
Der Mann sieht Harper mit verschlagenem Blick an. «Hat Louis Sie geschickt? Ich habe das alles schon erklärt. Es hat nichts mit Betrug zu tun. Ich bin Techniker. Das Glück hat sein System, genau wie alles andere auch. Man kann es berechnen. Sogar wenn es um Pferde oder Karten geht.»
«Ich glaube Ihnen.»
«Ich kann Ihnen helfen, wenn Sie möchten. Platzieren Sie eine Wette. Meine Methode ist narrensicher, mein Freund. Garantiert.» Er schaut Harper hoffnungsvoll an. «Trinken Sie Alkohol? Leisten Sie mir bei einem Drink Gesellschaft! Ich habe Whiskey. Und Champagner! Und ich wollte gerade diesen Truthahn zubereiten. An dem ist mehr als genug für zwei. Wir können uns vertragen. Keinem muss wehgetan werden. Habe ich recht?»
«Ich fürchte, nein. Ziehen Sie Ihr Jackett aus, bitte.»
Der Mann denkt darüber nach. Er bemerkt, dass Harper das gleiche Jackett trägt. Oder eine Zukunftsversion davon. Sein Gepolter fällt in sich zusammen wie ein Kuhmagen, in den man ein Messer gestochen hat. «Sie kommen nicht von Louis Cowen, oder?»
«Nein.» Er kennt den Namen des Gangsters, obwohl er nie irgendetwas mit ihm zu tun hatte. «Aber ich bin Ihnen sehr dankbar. Für all das hier.» Harper deutet mit seiner Krücke durch den Flur, und als Bartek unwillkürlich seiner Bewegung folgt, lässt er die Krücke auf seinen Nacken herunterfahren. Der Pole fällt kreischend zu Boden, und Harper lehnt sich an die Wand, um das Gleichgewicht zu behalten, während er ihm die Krücke auf den Kopf
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