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Shining Girls (German Edition)

Shining Girls (German Edition)

Titel: Shining Girls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Beukes
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Verhalten im Katastrophenfall. Schwimmweste aufblasen. Atemmaske übers Gesicht ziehen. Schutzhaltung einnehmen. Als ob irgendetwas davon einen Unterschied machen würde, wenn das Flugzeug brennend abstürzt. Wenn es doch für das übrige Leben auch so simple Placebos gäbe!
    Halten Sie den Sicherheitsgurt geschlossen. Klappen Sie Ihren Tisch in die aufrechte Position. Flirten Sie nicht mit den Flugbegleiterinnen, es sei denn, die Zeit ist auf Ihrer Seite und Sie haben noch all Ihre Haare auf dem Kopf und im Idealfall einen Platz in der Businessclass und sind aus einem Paar glänzend gewienerter Slipper geschlüpft, die sie ordentlich auf all den Extra-Beinfreiheit-Platz gestellt haben, damit man Ihre Designersocken mit dem hohen Baumwollanteil sehen kann, mein Lieber.
    Das ist das letzte Mal, dass er sich einen Platz ganz vorne in der Economyclass hat geben lassen, wo er hören kann, wie hinter dem Vorhang Champagner angeboten wird und auch das gedämpfte metallische Geklapper von richtigem Besteck im Gegensatz zu Plastik. Und zwar ganz besonders auf Nachtflügen.
    «Jetzt streuen sie einem noch mal so richtig Salz in die Wunde», murmelt er Kevin zu. Aber Kevin hört ihn nicht, weil er die Lautsprecherstöpsel seines Discmans in den Ohren hat und bassbetonte Musikbruchstücke zu Dan herüberwabern, die noch hässlicher und verzerrter klingen als diese Musik ohnehin schon. Dazu blättert er in der Zeitschrift der Fluggesellschaft Artikel über unerschwinglich teure Hotels durch. Also bleibt Dan mit seinen Gedanken allein, und das ist so ungefähr die letzte Gesellschaft, die er sich ausgesucht hätte. Jedenfalls nicht, wenn sie sich darin herumtreibt.
    Er kann sich nur zeitweise ablenken. Oh ja, er kann Notizen ausarbeiten oder sich in Spielerstatistiken vertiefen (wer gesagt hat, Sport ist dumm, hat sich noch nie durch die Berechnungsmethoden des Schlagdurchschnitts der Spieler gearbeitet), aber seine Gedanken kehren immer wieder zu ihr zurück, wie ein Hund, der am Schorf einer Wunde leckt. Und das Schlimmste von allem ist – und daran sieht man ja, in was für einen Jammerlappen er sich verwandelt hat –, dass die Texte der Popsongs stimmen.
    Allerdings verbessert das seine Chancen genauso wenig wie die von Kevin, in den französischen Alpen in einem Fünf-Sterne-Ski-Ressort mit ein paar Hollywoodstarlets Urlaub zu machen. Und das Schmerzhafteste ist nicht die Verzweiflung, sondern dieser winzige Funke vernunftwidriger Hoffnung.
    Es ist vollkommen unpassend. Er ist zu verbraucht, sie ist zu jung, sie sind beide zu abgefuckt. Er verwechselt Sympathie mit Verliebtheit. Wenn er es aussitzt, wird das Gefühl absterben. Er muss nur Geduld haben und kein rücksichtsloser Idiot sein. Die Zeit heilt alle Wunden. Die Sehnsucht wird schwächer. Splitter eitern heraus. Was nicht bedeutet, dass sie keine juckende Narbe hinterlassen.
     
    Als Dan in das Hotel in St. Louis kommt, erwartet ihn eine Telefonnachricht. Das nächste angenehm anonyme Zimmer mit aufdringlich unaufdringlichen Kunstdrucken, dessen Fenster auf einen Parkplatz geht. Der einzige Unterschied zwischen diesem Zimmer und jedem anderen, in dem er schon übernachtet hat, ist das blinkende rote Lämpchen am Telefon. Das ist sie, sagt sein Herz. Und er antwortet: Halt den Rand. Aber sie ist es wirklich. Außer Atem, aufgeregt. «Hey, Dan, ich bin’s. Bitte ruf mich zurück, sobald du das gehört hast.»
    Drücken Sie Eins, wenn Sie die Nachricht noch einmal abspielen wollen. Drücken Sie Drei, und Sie werden mit dem Anrufer verbunden. Drücken Sie Sieben zum Löschen der Nachricht. Drücken Sie Vier zum Speichern.
    «Hi», sagt sie und klingt um zwei Uhr morgens frisch und hellwach. «Warum hast du so lange gebraucht?»
    «Ich? Du bist diejenige, die nicht ans Telefon gegangen ist.» Er erzählt ihr nicht, dass er beim stinklangweiligen neunten Inning aus dem Pressezentrum gegangen ist und versucht hat, sie anzurufen. Und dann noch mal von einem Münzfernsprecher vor einer Bar aus, wo die Jungs nach der Pressekonferenz noch einen getrunken haben, während er an einer Cola light genippt und versucht hat, sich für das Gespräch über das Spiel zu erwärmen, bei dem diskutiert wurde, wie sich Ozzie Smith mal wieder eine Base gestohlen oder Olivares ein Wahnsinns-Inning hingelegt hat. «Habt ihr mitgekriegt, wie er in dem Moment Arias angeschossen hat?», schwärmte Kevin.
    Oder dass er ihre Nachricht insgesamt sechsmal abgehört hat.

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