Shining
Stufen, und auf keiner von ihnen kauerte Jack. Natürlich nicht. Jack war hinter einem starken Stahlriegel und einer schweren Eichentür im Vorratsraum eingesperrt.
Aber das Foyer war dunkel und, oh, so voller Schatten.
Plötzlich ging ihr Puls rascher, und das Herz klopfte ihr bis in den Hals.
Vor sich sah sie den höhnisch aufgerissenen Messingrachen des Fahrstuhls, der sie zum Eintreten einlud und zur Fahrt ihres Lebens.
(Nein, danke.)
Das Innere der Kabine war mit rosa und weißen Luftschlangen drapiert. Aus zwei länglichen Knallbonbons war Konfetti herausgequollen. Hinten in der linken Ecke lag eine leere Champagnerflasche.
Sie spürte eine Bewegung über sich und fuhr herum, ihr Blick tastete die neunzehn Stufen zum zweiten Stock ab. Sie sah nichts; und doch bemerkte sie aus den Augenwinkeln, dass die Dinge auf beunruhigende Weise in die tiefere Dunkelheit des Korridors zurückgesprungen zu sein schienen, bevor das Auge sie registrieren konnten.
Sie drehte sich um und schaute wieder auf die Treppe nach unten. Ihre rechte Hand schwitzte gegen den Holzgriff des Messers; sie nahm es in die linke und wischte die andere Hand am rosa Frotteestoff ihres Bademantels ab. Dann trug sie das Messer wieder rechts. Sie war sich kaum bewusst, dass ihr Verstand dem Körper den Befehl gegeben hatte weiterzugehen, aber sie begann den Abstieg. Erst der linke Fuß, dann der rechte und wieder der linke. Ihre freie Hand glitt vorsichtig über das Geländer.
(Wo ist die Party? Lasst euch nicht verscheuchen, ihr muffigen Lakenbündel! Hier ist keine einzige ängstliche Frau mit einem Messer! Musik her! Wir brauchen Leben in der Bude!)
Zehn Schritte hinab, zwölf, dreizehn.
Das Licht aus dem ersten Stock kam als mattes Gelb hier unten an, und sie erinnerte sich daran, dass sie das Licht im Foyer entweder neben dem Eingang zum Speisesaal oder im Büro des Managers einschalten musste.
Und doch kam Licht von irgendwo anders, weiß und gedämpft. Die Leuchtstoffröhren natürlich. In der Küche.
Sie blieb auf der dreizehnten Stufe stehen und versuchte, sich zu erinnern, ob sie sie ausgeschaltet hatte, als Danny und sie nach oben gegangen waren. Sie wusste es einfach nicht mehr.
Unter ihr im Foyer standen die Stühle mit den hohen Lehnen wie in schattigen Teichen. Das Glas der Foyertüren schimmerte weiß von dem dagegengewehten Schnee. Die Messingnieten an den Sofakissen glänzten schwach wie Katzenaugen. Hier konnte man sich an hundert Stellen verstecken.
Vor Angst ging sie wie auf Stelzen, aber sie ging weiter. Stufe siebzehn, achtzehn, dann neunzehn.
(Erdgeschoß, Madam. Gehen Sie vorsichtig.)
Die Türen zum Festsaal waren weit geöffnet, aber er lag in schwarzer Dunkelheit. Von innen war ein gleichmäßiges Ticken zu hören, wie von einer Bombe. Sie erstarrte, aber dann erinnerte sie sich an die Uhr auf dem Sims, die Uhr unter Glas. Jack oder Danny mussten sie aufgezogen haben … oder vielleicht hatte sie sich selbst aufgezogen, wie alles andere im Overlook.
Sie wandte sich der Rezeption zu und wollte durch das Büro des Managers in die Küche gehen. Matt sah sie das silberne Tablett schimmern.
Dann fing die Uhr an zu schlagen, leise, klingelnde Töne.
Wieder stand Wendy starr und hob die Zunge an den Gaumen. Dann beruhigte sie sich. Es schlug acht. Das war alles. Acht Uhr.
… fünf, sechs, sieben …
Sie zählte die Schläge. Es schien plötzlich falsch weiterzugehen, bevor der letzte Schlag verklungen war.
… acht … neun … ((?? Neun? ?)
… zehn … elf …
Plötzlich und spät fiel es ihr ein. Unbeholfen drehte sie sich wieder zur Treppe um, obwohl sie wusste, dass es zu spät war. Aber wie hätte sie es wissen sollen?
Zwölf.
Alle Lichter im Festsaal gingen an. Ein gewaltiger Tusch von Blechinstrumenten. Wendy kreischte laut auf, aber ihre Stimme ging unter im Schmettern der Messinglungen.
»Die Masken ab!« Der Ruf fand ein vielfältiges Echo. »Die Masken ab! Die Masken ab!«
Dann schwanden die Geräusche, als ob sie in einem langen Korridor der Zeit verhallten, und sie war wieder allein.
Nein, nicht allein.
Sie drehte sich um, und er kam auf sie zu.
Es war Jack und doch war es nicht Jack. In seinen Augen war ein mörderisches Glühen, sein ihr so vertrauter Mund zeigte ein zittriges, freudloses Grinsen.
In einer Hand hielt er den Roque-Schläger.
»Du wolltest mich einsperren, was? Das wolltest du doch, nicht wahr?«
Der Schläger pfiff durch die Luft. Sie sprang zurück, stolperte über
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