Shining
Job hier zu Ende war, in der Bibliothek in Denver nachschlagen wollte. Jedes Hotel hat sein Gespenst? Das Overlook hatte einen ganzen Haufen Gespenster. Erst Selbstmord, dann die Mafia. Was würde als nächstes kommen?
Im nächsten Ausschnitt dementierte Charles Grondin wütend Brannigars Angriffe. Jack grinste nur.
Der Ausschnitt auf der nächsten Seite war so groß, dass man ihn gefaltet hatte. Jack faltete ihn auseinander, und sein Atem stockte. Das Photo schien ihn anzuspringen: Die Tapeten waren seit Juni 1966 erneuert worden, aber er kannte das Fenster und die Aussicht genau. Es war der Blick nach Westen aus der Präsidentensuite. Es handelte sich um einen Mord. Die Wand des Wohnzimmers neben der Tür zum Schlafzimmer war blutbespritzt, vermischt mit weißlichen Flecken, die nur Gehirnmasse sein konnten. Ein Polizist stand mit undurchdringlichem Gesicht über einer Leiche, über die eine Decke gebreitet war. Fasziniert starrte Jack das Bild an und las dann die Schlagzeile.
SCHIESSEREI ZWISCHEN GANGSTERN IM OVERLOOK
Bekannter Unterweltboss in Berghotel erschossen
SIDEWINDER, COLO (UPI) – Vierzig Meilen von der verschlafenen Stadt Sidewinder in Colorado entfernt, hat mitten in den Rocky Mountains eine Hinrichtung nach Gangsterart stattgefunden. Das Overlook Hotel, das vor drei Jahren von einer Firma aus Las Vegas gekauft und als exklusiver Club eingerichtet wurde, war Schauplatz eines dreifachen Mordes. Zwei der Männer waren entweder Freunde oder Leibwächter von Vittorio Gienelli, der wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an einem Mord in Boston vor zwanzig Jahren auch als »Der Hacker« bekannt ist.
Die Polizei wurde von Robert Norman, dem Manager des Overlook, verständigt, der behauptete, er habe Schüsse gehört, und zwei Männer mit Strumpfmasken und Gewehren seien über die Feuerleiter geflohen und in einem hellbraunen Kabriolett neueren Modells davongefahren.
Benjamin Moorer von der State Police fand vor der Präsidentensuite, in der schon zwei amerikanische Präsidenten gewohnt haben, zwei Tote, die später als Victor T. Boorman und Roger Macassi, beide aus Las Vegas, identifiziert wurden. Im Raum selbst fand Moorer die Leiche Gienellis auf dem Fußboden. Gienelli hatte offenbar versucht, vor seinen Angreifern zu fliehen, als er niedergestreckt wurde. Moorer sagte, Gienelli sei mit einer großkalibrigen Schrotflinte aus kürzester Entfernung erschossen worden.
Charles Grondin, Repräsentant der Firma, der das Overlook jetzt gehört, war nicht zu erreichen …
Unter den Zeitungsausschnitt hatte jemand in kräftigen Schriftzügen mit Kugelschreiber geschrieben: Sie haben seine Eier mitgenommen.
Jack starrte lange die Zeilen an, und ihn fror. Wem gehörte dieses Buch?
Endlich schlug er die Seite um und unterdrückte ein komisches Geräusch in der Kehle. Noch ein kurzer Artikel von Josh Brannigar, datiert 1967. Er las nur die Schlagzeile:
VERKAUF EINES BERÜCHTIGTEN HOTELS NACH MORD AN EINEM GANGSTERBOSS.
Die auf diesen Ausschnitt folgenden Seiten waren leer.
(Sie haben seine Eier mitgenommen)
Er blätterte bis zum Anfang zurück und suchte einen Namen oder eine Adresse. Vielleicht nur eine Zimmernummer. Denn er war ganz sicher: wer immer dieses Buch geführt hatte, musste im Hotel gewohnt haben. Aber er fand keine Eintragung.
Er wollte sich die Ausschnitte gerade noch einmal etwas gründlicher vornehmen, als eine Stimme ihn von oben rief: »Jack?«
Wendy.
Fast schuldbewusst fuhr er zusammen, als ob er heimlich getrunken hätte und sie jetzt seine Fahne riechen würde. Lachhaft. Er rieb sich mit der Hand die Lippen und rief zurück. »Ja, Schatz. Ich suche Ratten.«
Sie kam in den Keller. Er hörte sie auf der Treppe, dann im Kesselraum. Rasch, ohne recht zu wissen warum, schob er die Sammelmappe unter einen Haufen Rechnungen. Er stand auf, als sie durch den Mauerbogen trat.
»Was in aller Welt hast du hier unten gemacht? Es ist fast drei Uhr!«
Er lächelte. »Ist es schon so spät? Ich habe mich durch dies ganze Zeug hier durchgewühlt. Wahrscheinlich wollte ich wissen, wo die Leichen begraben sind.«
Hässlich hallte ihm das Echo seiner Worte durch den Kopf. Sie kam näher, sah ihn an, und unbewußt trat er einen Schritt zurück. Es war fast zwanghaft. Er wusste, was sie wollte. Sie versuchte Alkoholgeruch an ihm festzustellen. Wahrscheinlich war sie sich dessen nicht einmal bewusst, aber es war so, und zu seinem Schuldbewusstsein kam Wut.
»Du blutest ja am
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