Shining
auf angenehme Weise.
Mommy hatte nur ein halbes Sandwich gegessen und auf die Suppe ganz verzichtet. Sie meinte, Daddy müsste selbst spazierengegangen sein, weil sowohl der Hotelwagen als auch der VW auf dem Parkplatz standen. Sie sagte, sie sei müde und wolle sich ein wenig hinlegen, wenn er sich selbst amüsieren und keinen Unsinn machen würde. Den Mund voll Sandwich meinte Danny, dass er das wohl könne.
»Warum gehst du nicht auf den Spielplatz?« fragte sie ihn. »Ich dachte, er würde dir gefallen. Du kannst doch in der Sandkiste mit deinen Autos spielen.«
Er schluckte, und als harter, trockener Klumpen rutschte ihm das Brot durch die Speiseröhre. »Tu ich vielleicht«, sagte er und fing an, am Radio zu drehen.
»Und all die hübschen Heckentiere«, sagte sie und nahm seinen leeren Teller. »Dein Vater muss bald raus und sie beschneiden.«
»Ja«, sagte er.
(Nur hässliche Dinge … wenn es schon mit diesen verdammten Hecken zu tun hatte, die wie Tiere zurechtgestutzt waren …)
»Wenn du deinen Vater früher siehst als ich, sag ihm, dass ich mich hingelegt habe.«
»Tu ich, Mom.«
Sie stellte das schmutzige Geschirr in die Spüle und kam wieder zu ihm zurück. »Fühlst du dich wohl hier, Danny?«
Er sah sie arglos an. Er hatte einen Milchbart auf der Lippe.
»Hmmmh.«
»Keine schlimmen Träume mehr?«
»Nein.« Einmal war Tony nachts noch gekommen und hatte aus weiter Ferne seinen Namen gerufen. Danny hatte die Augen fest zugekniffen, und Tony war verschwunden.
»Bestimmt nicht?«
»Bestimmt nicht, Mom.«
Sie schien zufrieden. »Wie geht’s deiner Hand?«
Er zeigte sie ihr. »Viel besser.«
Sie nickte. Jack hatte das Nest voll steifgefrorener Wespen zum Verbrennungsofen hinten im Geräteschuppen gebracht und verbrannt. Sie hatten seitdem keine Wespen mehr gesehen. Er hatte an einen Rechtsanwalt in Boulder geschrieben und die Aufnahmen von Dannys Hand mitgeschickt, und der Anwalt hatte vor zwei Tagen angerufen – das hatte Jack für einen ganzen Nachmittag in äußerst üble Laune versetzt. Der Anwalt zweifelte, ob man den Hersteller des Vertilgungsmittels belangen konnte, da nur Jack selbst bezeugen konnte, dass er sich an die Gebrauchsanweisung gehalten hatte. Jack hatte gefragt, ob man nicht einige weitere Sprühgeräte kaufen und auf denselben Defekt prüfen könne. Ja, sagte der Anwalt, aber das Ergebnis sei höchst zweifelhaft, selbst wenn alle diese Geräte nicht funktionierten. Er erzählte Jack von einem Fall, bei dem es um einen Hersteller von Ausziehleitern ging. Bei Benutzung einer solchen Leiter hatte sich ein Mann die Wirbelsäule gebrochen. Wendy hatte Jack zwar bedauert, aber insgeheim war sie froh, dass Danny so gut davongekommen war. Prozesse sollte man Leuten überlassen, die was davon verstanden, und zu denen gehörten die Torrances nicht. Und sie hatten ja auch keine Wespen mehr gesehen.
»Geh spielen, Doc. Viel Spaß.«
Aber er hatte keinen Spaß. Er war ziellos durch das Hotel gewandert, hatte in die Schränke der Stubenmädchen und in die Pförtnerloge geguckt, um vielleicht etwas Interessantes zu finden. Er fand nichts. Er war nur ein kleiner Junge, der über einen dunkelblauen, mit gewundenen schwarzen Linien durchwobenen Teppich lief. Hin und wieder hatte er eine Tür probiert, aber sie waren natürlich alle abgeschlossen. Der Hauptschlüssel hing im Büro, und er wusste auch wo, aber Daddy hatte ihm gesagt, dass er ihn nicht anfassen sollte. Und das wollte er auch nicht. Oder doch?
(Warum bist du denn hier?)
In Wirklichkeit lief er gar nicht ziellos herum. Eine Art ungesunde Neugier hatte ihn zu Zimmer 217 gelockt. Er erinnerte sich an eine Geschichte, die Daddy ihm einmal vorgelesen hatte, als er betrunken war. Das war lange her, aber sie war für ihn noch immer so lebendig wie damals, als Daddy sie vorgelesen hatte. Mommy hatte mit Daddy geschimpft, was er sich dabei denke, einem Dreijährigen etwas so Entsetzliches vorzulesen. Die Geschichte hieß Blaubart. Auch das wusste er noch genau, denn er hatte erst Blaubord verstanden, und ein blaues Bord kam in der ganzen Geschichte nicht vor. Die Geschichte handelte von Blaubarts Frau, einer schönen Dame, die kornfarbenes Haar hatte, genau wie Mommy. Als Blaubart sie geheiratet hatte, lebten sie in einem großen, unheimlichen Schloss, das gar nicht viel anders war als das Overlook. Und jeden Tag ging Blaubart zur Arbeit, und jeden Tag verbot er seiner hübschen jungen Frau, in ein bestimmtes Zimmer zu
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