Shit
Wohnungen durchsucht, aber der Zustand von Manus kleinem Appartement in dem Backsteinhaus in der Altstadt setzte allem die Krone auf. Vor allem der fürchterliche Uringestank.
In Plastikschalen lagen Katzenstreu und Katzenkot.
Der kleine Lars schlief in einer Plastikwanne, in der auch die Katzen ihre Notdurft verrichteten.
Weder die Katzenkacke noch die Windeln waren entsorgt worden.
Alles lag kreuz und quer auf dem Boden.
Auf dem einzigen Tisch war kein Platz. Tassen und Teller, die seit Monaten nicht mehr gespült wurden, waren aufeinandergestapelt. Anstatt Babynahrung hatte er nur leere Dosen Katzenfutter gefunden.
Auch in der kleinen Einbauküche stapelte sich das schmutzige Geschirr und die Kakerlaken hatten eine wahre Freude an dem klebrigen Tellerturm.
Manu hatte die Tür geöffnet und ernsthaft gesagt: „Ich muss mich entschuldigen, ich habe heute noch nicht aufgeräumt.“.
Es stank schlimmer als in der Wohnung seines letzten Drogentoten, der fast zwei Wochen in einem ungelüfteten Zimmer gelegen hatte.
Tom hatte mit zusammengepreßten Lippen nur durch den Mund geatmet. Der Geruch der Exkremente in Verbindung mit den Ausdünstungen des muffigen Altbaus war unerträglich. Tom hatte den Notarzt verständigt und Manuela wurde inzwischen das Sorgerecht entzogen.
Tom fand keine Fixer auf dem Münzplatz und fuhr am Moselufer entlang Richtung Rhein. Da wegen der Bundesgartenschau die meisten Flächen inzwischen eingezäunt waren, hatten sich die Fixer in einen abgelegenen Bereich in den Rheinanlagen zurückgezogen. Bei der Befragung tauchte nun immer häufiger der Name Conny auf. Dass dieser Name auch in dem Brief von Anja Goldhausen an ihre Freundin Melanie genannt wurde, hatte Tom ganz vergessen. Er konnte zunächst nichts mit dem Begriff con-con anfangen, bis einer der älteren Kiffer ihn fragte: „Kennst du denn nicht Connys Connection?!“ Der Mann dealte vermutlich selbst und wollte, indem er Conny erwähnte, einen Konkurrenten aus dem Verkehr ziehen und dessen Kundschaft übernehmen.
13.
Conny Stein hatte vermutlich Haschisch mit einem hohen THC-Gehalt an Florian verkauft. Es erhärtete sich der Verdacht, dass er Mitschüler und weitere Minderjährige aus Koblenz und Umgebung mit Drogen versorgte.
Die Drogenfahnder hatten nun alle Mosaiksteinchen zusammengefügt. Heute Morgen plante das Team des Rauschgiftkommissariats einen sogenannten Rundumschlag – eine zeitgleiche Durchsuchung mehrerer Objekte.
Die Beschlüsse mussten immer gleichzeitig vollstreckt werden, damit keiner andere warnen und Beweismittel vernichten konnte. Außer den Durchsuchungsbeschlüssen lag auch ein Haftbefehl gegen Conny Stein wegen des gewerbsmäßigen Handels mit illegalen Drogen vor.
Tom löste den Gürtel seiner Hose, fädelte Pistolenholster, Ersatzmagazin, Reizstoffsprühgerät und die Handschellen ein, steckte die Pistole in das Gürtelholster und zog die Lederjacke wieder an. Im Frühbesprechungsraum hatten sich bereits die Durchsuchungsteams versammelt. Der Einsatzleiter händigte die Akten an die Teamleiter aus und erklärte kurz die Lage. Dann gingen alle zu den Dienstfahrzeugen. Pünktlich um sieben würden sie mit der Durchsuchung der Objekte beginnen und den Haftbefehl gegen Conny Stein vollstrecken.
Wenn Rauschgiftfahnder frühmorgens an der Haustür klingeln, fallen Eltern nicht nur aus dem Tiefschlaf, sondern oft auch aus allen Wolken.
Meist ahnten sie vom Drogenkonsum ihrer Kinder nichts. Hilflosigkeit, Ohnmacht, Schuldgefühle, Angst und Wut schlugen oft in strafende Reaktionen um: Verbot des Freundeskreises, Hausarrest, Taschengeldsperrung. Und in allen Reaktionen der Eltern tauchte immer wieder das Spiegelbild seiner eigenen Hilflosigkeit als Vater auf.
„Sie müssen sich an der Haustür geirrt haben!“ Mit diesen Worten wurde nur allzu häufig begrüßt.
„Es kann sich nur um eine Verwechslung handeln!“, hieß es dann, oder: „Mein Kind nimmt keine Drogen! Das hätten wir doch bemerkt!“
Und selbst wenn Eltern in dem Durchsuchungsbeschluss schwarz auf weiß die Verdachtsmomente lasen, konnten sie es immer noch nicht glauben.
Andererseits war das ja vielleicht auch eine ganz natürliche Reaktion: Wer glaubt schon einem Stück Papier, wenn das eigene Gefühl etwas ganz anderes sagt?
Tom und Ecci fuhren über die Mainzer Straße Richtung Halbinsel Oberwerth, einem Koblenzer Stadtteil mit zahlreichen alten Villen, in dem neben vielen Ärzten, Rechtsanwälten, Politikern und Firmenchefs
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