Shit
angetroffen.“
„Und wieso vertraut diese Rosa ihr?“
Tom zog seine Schultern hoch.
„Hat Ihr Mann eigentlich mal mit Anja geredet?“
„Nein, er hat uns für immer verlassen.“
„Mein Beileid“, stotterte Tom. Hatte Goldhausen sich vor Verzweiflung umgebracht? „Er ist nicht tot. Er ist nur ausgezogen.“
Frau Goldhausen versuchte zu lächeln. Es gelang ihr jedoch nicht, den schmerzlichen Gesichtsausdruck zu verbergen. Dann erzählte sie, was sich in den letzten Wochen ereignet hatte.
„Herr Schneider, was soll ich denn jetzt machen?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete Tom leise und hätte laut losschreien können. Stattdessen sagte er: „Frau Goldhausen, ich muss jetzt wirklich gehen. Bemühen Sie sich um einen Therapieplatz.“
Tom verabschiedete sich mit einem langen Händedruck.
Wie sehr hätte er sich damals eine Person gewünscht, mit der er über seine Ängste und Sorgen hätte reden können.
Vielleicht lag es daran, dass er unsichtbare Mauern um sich herum aufbaute und seine Gefühle versteckte?
Er hatte es nie geschafft, seiner Tochter zu gestehen, wie mies er sich fühlte, ihr zu sagen, dass er sie trotz allem liebte und dass alles wieder gut werde. Nichts wurde gut.
Tom stieg in den Dienstwagen und fuhr los.
Noch bevor er das Präsidium erreichte, verschwamm die Fahrbahn auf dem Friedrich-Ebert-Ring vor seinen Augen.
Er fuhr rechts auf den Parkplatz der Firma
Waffen-Münzel
und schaltete den Motor aus,
Seine Hände zitterten und er dachte an den Tag, als seine Frau ihm wortlos diesen Zettel in die Hand gedrückt hatte.
Ein zerknüllter Zettel mit einem Namen und einer Adresse.
Dort würde sich Sabine aufhalten, hatte seine Frau ihm nur gesagt.
Wie in Trance war er damals in die Schützenstraße in der Nähe des Koblenzer Hauptbahnhofs gefahren.
Die Haustür – oder vielmehr das, was davon übrig geblieben war – lag im Flur auf dem Boden.
Über eine schmale Treppe war er bis zum Dachgeschoss gerannt, zwei Stufen hatte er mit einem Schritt übersprungen.
Die Tür zu der kleinen Wohnung unter dem Dach war offen, sodass er den Raum betreten konnte.
Unter den beiden Dachschrägen stand in der Mitte ein Doppelbett und links in der schmalen Nische war eine kleine Einbauküche.
In der Spüle stapelte sich das schmutzige Geschirr der letzten Wochen.
Der Boden war mit schmutzigen Kleidungsstücken übersät.
Es roch, als würde die Notdurft in diesem Raum verrichtet.
Das einzige WC war im Treppenhaus im zweiten Stock. Auf dem schmutzigen, blutbefleckten Bettlaken hatte er eine frisch benutzte Spritze und einen Löffel mit verbogenem Griff gefunden. Der braune Rahmen am Tellerrand und die schwarzen Brandflecken auf der Unterseite vom Aufkochen des Heroin-gemischs waren ein eindeutiger Beweis.
Direkt neben den Fixerutensilien hatte er den Brief gefunden.
Zerknittert. Scheinbar oft gelesen. Unzählige Flecken. Er hatte die Handschrift seiner Frau sofort erkannt:
Liebe Sabine
,
Deine Stimme klang sehr traurig, aber ich bin froh, dass Du angerufen hast. Wie lange habe ich auf ein Zeichen von Dir gewartet und dann hat es mir fast die Sprache verschlagen. Wie vieles wollte ich dir noch sagen und erst hinterher fiel mir alles ein
.
Du weißt, ich stehe trotz allem, was geschehen ist, zu Dir und ich möchte Dir so gerne helfen. Ich möchte, dass Du einzufriedenes Leben haben kannst. Ich habe Dich sehr lieb. In dem Paket sind nicht alle Sachen, die Du Dir wünschst. Ich habe alles Deiner Freundin mitgegeben, da Du mir ja nicht verraten hast, wo und bei wem Du nun wohnst. Wie tief muss Dein Misstrauen sitzen, wenn Du Deiner Freundin verboten hast, ihren Namen zu nennen, vor Angst, wir könnten dann Deinen Aufenthaltsort herausbekommen. Schade
.
Ich habe nichts verraten und bin sehr traurig. In Gedanken bin ich jede Minute bei Dir, möchte Dich an mich drücken und Dich fühlen. Ich weiß nicht, ob Du das so nachempfinden kannst; ich vermisse Dich unsagbar. Du fehlst mir so sehr und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als Dich wieder in meinen Armen zu halten
.
Ich liebe Dich ganz doll, egal, was passiert
.
Deine Mama
Kein einziges Wort von ihm. So, als hätte es ihn nie gegeben. Als habe er in dieser Beziehung lediglich die Rolle des Erzeugers, aber niemals Verantwortung übernommen. Als sei er ein anonymer Samenspender, der eine ihm unbekannte Frau künstlich befruchtet hatte. Nur ein einziger versteckter Hinweis auf seine Existenz als Vater.
Ich habe nichts
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