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Shit

Shit

Titel: Shit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Schmitt-Killian
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verraten
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    Nicht als Vater war er für seine Tochter und Frau von Bedeutung, sondern als Polizist. Als ein Beamter, der durch die Personalienüberprüfung der Freundin deren Wohnanschrift und somit auch Sabines aktuellen Aufenthaltsort hätte ermitteln können.
    Dann hatte er den silbernen Bilderrahmen zwischen Spritzbesteck und Brief umgedreht. Darunter lag ein Foto, das mehrfach zerrissen und wieder mit Tesaband zusammengeklebt worden war. Vater, Mutter, Tochter in glücklichen Tagen.
    Das Familienfoto wirkte wie ein Dolchstoß mitten in sein Herz.
    Er hatte sich in das schmutzige Bettlaken eingerollt und geweint.
    Fast eine halbe Stunde lang.
    Und auch jetzt spürte er die Tränen.
    Er wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht und startete den Motor.
    Und auf der kurzen Strecke bis zum Präsidium tauchte Sabines Bild vor seinem inneren Auge auf und verschwand immer wieder im Gedankennebel der aufsteigenden Müdigkeit.
    Niemand im Kollegenkreis ahnte, wie ausgelaugt er sich manchmal fühlte und dass er am liebsten das Handtuch geschmissen hätte.
    Er dachte an Altersteilzeit oder Ausstieg, insbesondere dann, wenn ihn diese Panikattacken überfielen.
    Tom blickte auf die Uhr, als er in die Tiefgarage des Polizeipräsidiums fuhr.
    Halb eins.
    Schon wieder nach Mitternacht.
    Mit Anjas Brief war die Erinnerung wieder aufgetaucht. Und mit der Erinnerung diese unerträgliche Angst, Sabine niemals mehr im Leben wiederzusehen.
    Weder tot noch lebendig.
    Die Situation, sie in einem Leichenschauhaus zu identifizieren, erschien ihm jedoch wahrscheinlicher.
    Er fuhr mit dem Fahrstuhl in sein Büro, ließ sich auf die alte Couch fallen und war eingeschlafen, bevor er sich die Schuhe ausziehen konnte.

12.
    Tom wachte erst auf, als Ecci bereits in der Tür stand.
    „Hast du etwa hier übernachtet?“
    Tom nickte.
    „Mal wieder versackt?“
    „Nein, Ecci, ausnahmsweise nicht!“
    „Probleme?“
    „Nein, wieso?“
    „Du hast Augen wie ein beschissener Taubenschlag. Mach dich mal frisch!“
    Tom duschte sich in den Waschräumen der Polizeiinspektion 1 und war pünktlich zur morgendlichen Kaffeerunde wieder im Besprechungsraum des Rauschgiftkommissariats. Jeden Morgen tauschten die Drogenfahnder sich über die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden aus.
    „Gestern Mittag wurde ein zwölfjähriger Junge im bewusstlosen Zustand in das Krankenhaus Kemperhof eingeliefert. Der Junge soll vorher einen Joint geraucht haben. Näheres ist noch nicht bekannt“, berichtete Rainer Schamke, der Neue im Rauschgiftkommissariat.
    „Wir sind bislang nicht weitergekommen. Tom, du kennst doch Gott und die Welt in Koblenz. Kannst du nicht mal recherchieren, wer den Stoff verkauft haben könnte?“, bat Rainer Schamke seinen älteren Kollegen um Unterstützung.
    „Okay, ich fahr mal auf die Gasse und höre mich um“, murmelte Tom und verließ den Raum.

    Tom fuhr mit seinem Dienstfahrrad die einschlägig bekannten Treffpunkte ab. Er hatte zu den jungen Menschen der Drogenszene ein für Außenstehende merkwürdiges Verhältnis. Einigebegrüßten ihn wie alte Freunde, suchten Kontakt, aber nur dann, wenn sie nichts dabeihatten. „Haste Haschisch in der Tasche, haste immer was zu nasche und Tom hat seine Flasche“, hatte ein Kiffer immer denselben Spruch parat, wenn er Tom traf.
    In der Tat hatte sich Toms Bierkonsum in den letzten Jahren gesteigert. Das konnte man an seinem Bauchansatz und den Ringen unter den Augen, insbesondere nach einer mit Ecci durchzechten Nacht deutlich erkennen.
    Tom traf in der Passage zum Altengraben Manuela Nuss, eine der älteren Fixerinnen, die sich damals mit Sabine dieses Gift gespritzt hatten.
    Ihre Frage nach Sabines Wohlbefinden und Aufenthaltsort trafen ihn wie Stiche ins Herz.
    „Ich weiß es nicht!“, antwortete er und fragte nicht mehr, ob sie wüsste, wer dem Jungen den Shit verkauft hatte.
    Manu hatte bis vor wenigen Wochen den Kinderwagen durch die Stadt geschoben. Darin lag aber nicht nur ihr einjähriger Sohn, sondern es war ein rollender Tante-Emma-Laden für Drogen. Die Windeln des kleinen Lars wechselte sie nur so häufig, weil diese ihr als Drogendepot dienten. Ansonsten vernachlässigte sie das Kind. Und welcher Polizist wagt es schon, ein schreiendes Kleinkind aus dem Wagen zu heben?
    Bei seiner Fahrt die Braugasse hoch in Richtung Münzplatz erinnerte sich Tom an den Tag, als er das erste Mal in Manus Wohnung am Florinsmarkt war. Er hatte schon zahlreiche vermüllte

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