Shit
gegenüber ein schmales Bett. Conny hoffte, dass die Zellen in einer Jugendstrafanstalt größer waren.
Sonst würde er wahnsinnig.
17.
Sollte er den Trip wirklich einwerfen?
Hin- und hergerissen zwischen Angst und Neugierde betrat Marco die Bahnhofshalle und ging zum Waschcenter. Er setzte sich auf den geschlossenen Toilettendeckel, legte den LSD-Trip auf die Fingerspitze, führte den Finger zum Mund, legte das kleine rechteckige Papier mit dem Herz-Symbol auf die Zunge und schluckte die Droge runter.
Er musste kurz an Anja denken, denn die Pille, die Conny ihr an der Waldhütte verkauft hatte, war mit einer LSD-ähnlichen Substanz vermischt gewesen.
Sie
war kaputt, das hatte er im Schlosspark mit Schrecken erlebt. Nach ihrem Selbstmordversuch war sie aus dem Krankenhaus geflohen und lebte vermutlich wieder in Köln auf der Straße.
Er
würde heute einen guten Trip haben, weil er sich mental darauf eingestellt hatte.
Plötzlich spürte er die Krämpfe im Magen.
Er drückte beide Ellbogen fest auf seine dünnen Oberschenkel und hatte mit einem Mal das Gefühl, die Toilettenwände würden ihn erdrücken.
Marco riß an der Tür.
Sie ließ sich nicht öffnen.
Panikartig drehte er den Knopf nach links. Dann stürzte er aus der Toilette, als sei der leibhaftige Teufel hinter ihm her, rannte durch die Bahnhofshalle, sah nur schemenhaft die vielen fremden Menschen, die ihn angreifen wollten.
Nur raus, raus hier
, egal wohin, dachte er und fühlte sich wie ein Geisterfahrer auf der Autobahn.
Allein auf der falschen Spur rannte er gegen den Menschenstrom. Die Anzeigetafeln der ankommenden und abfahrenden Züge verwandelten sich in grüne und rote Männchen, die ihmständig auf den Schädel schlugen. Die Köpfe der roten und grünen Männchen explodierten. Sie lachten dabei.
Er hörte viele Geräusche, nicht aber seinen eigenen angsterfüllten Schrei.
Auf dem Bahnhofsplatz schwamm rote Erdbeermarmelade wie ein Lavastrom nach einem Vulkanausbruch.
Er stampfte durch die steife Masse. Seine Füße wurden immer schwerer und er konnte sich kaum fortbewegen.
Plötzlich stand er vor ihm.
Ein Riese mit langen braunen Haaren in einem weißen Gewand. Noch größer als die Freiheitstatue in New York, die er nur von Fotos kannte.
Der Geist streckte eine riesige Hand aus und grinste. Das vordergründig freundliche Grinsen ließ ihm einen Angstschauer über den ganzen Körper laufen.
„Neeeeiiin!!!“, schrie Marco und warf sich auf den Boden.
Innerhalb kürzester Zeit hatte sich eine Menschenmenge angesammelt.
Alle sahen untätig zu, bis sich ein Beamter der Bundespolizei auf Marco warf und ihn auf dem Boden festhalten konnte.
Melanie wartete zur gleichen Zeit an der gegenüberliegenden Bahnhofshaltestelle auf ihren Bus. Sie hörte die Schreie und sah Marco aus der Bahnhofshalle stürmen.
Melanie rannte los. Sie konnte dem Linienbus im letzen Moment ausweichen. Bruchteile von Sekunden blickte sie in das Gesicht des Fahrers. Der Mann saß kreidebleich hinter dem Lenkrad und konnte sich vor Schreck kaum bewegen. Mit ausgestreckten Armen und scheinbar größter Kraftanstrengung steuerte er das große Lenkrad nach links.
Melanie sah einige Fahrgäste hochspringen.
Dann lief sie weiter und bahnte sich ihren Weg durch die Schaulustigen.
Auf Marcos bebendem Körper kniete ein Bahnpolizist. „Rufen Sie den Notarzt!“, schrie der Mann mit hochrotem Kopf.
Aber niemand fühlte sich angesprochen.
Jeder schien sich auf den anderen zu verlassen.
Es stimmte also: Je mehr Menschen in einer Notfallsituation helfen könnten, desto weniger helfen wirklich.
Der Polizist konnte den Jungen nur mit äußerster Kraftanstrengung festhalten. Marco trat mit den Füßen um sich. Er drehte sich immer wieder im Kreis wie ein Breakdancer. Beide bewegten sich wie Zeiger einer großen Uhr, deren kleiner Zeiger verrücktspielte. Kein Gaffer kam auf die Idee, dem Polizisten zu helfen. Im Gegenteil.
„Lassen Sie sofort den Jungen los!“, forderte ein elegant gekleideter Herr den Polizisten auf und ging zielstrebig weiter in Richtung Busbahnhof. Hauptsache, er hatte seine Meinung geäußert.
Melanie kniete sich direkt vor Marcos Gesicht und umfaßte seinen Kopf mit beiden Händen.
„Kennst du ihn?“, keuchte der Polizist und rang nach Atem.
Melanie nickte und legte ihre Hand auf Marcos Stirn.
„Hilf mir, er nimmt mich zu sich!“, schrie Marco.
„Wer? Wer nimmt dich zu sich?“, flüsterte Melanie.
Aber Marco antwortete nicht,
Weitere Kostenlose Bücher