Shit
Sabine lähmten sein Reaktionsvermögen.
Er wollte Marco in seine Arme nehmen, aber im gleichen Moment schlug der Junge mit einer unvorstellbaren Kraft zu.
Der Schlag traf Tom am rechten Kinn.
Damit hatte er nicht gerechnet.
Ecci gelang es, Marco mit einem Fußfeger zu Boden zu werfen und den Polizeiarmdrehgriff anzusetzen.
Marco schien schmerzunempfindlich zu sein. Seine dünnen Arme waren dehnbar, als seien sie aus Gummi.
Die Ärztin ordnete Haare und Kleidung, während die beiden Beamten Marco aufs Bett warfen und seine Arme und Beine mit den Lederriemen fixierten.
Marco schrie immer wieder mit angstvoll aufgerissenen Augen: „Hilfe! Da kommt er! Er will mich zu sich nehmen!“
Die Ärztin legte eine Infusion.
„Das müsste reichen“, sagte sie in ruhigem Ton.
Sie lächelte Tom an.
„Danke, dass Sie sich trotz des Verbotes Zutritt in unsere heiligen Räume verschafft haben.“
Sie berichtete, dass Marco von den Sanitätern aufs Bett gelegt worden war und dieser sich zunächst absolut ruhig verhalten hätte.
„Die Sanitäter haben den Patienten nicht fixiert. Ich wollte ihn dann mit der Stationsschwester ans Bett binden. Der Junge ist aber plötzlich aufgesprungen, hat mich zu Boden geworfen und wie wild auf mich eingeschlagen.“
Kein einziges vorwurfsvolles Wort kam über ihre Lippen, weder gegenüber den Sanitätern und ihres Versäumnisses noch gegen Marco.
„Ich kenne Marco als einen liebenswerten Typen, der keiner Fliege was zuleide tun kann. Er ist nicht aggressiv, eher schüchtern und zurückhaltend. Gewalt lehnt er ab. Deswegen hat mich sein Angriff auch total überrascht“, sagte Tom.
Er fühlte mit der rechten Hand vorsichtig über sein Kinn.
Die Ärztin lächelte, aber sie bedauerte ihn nicht.
Leider.
„Das ist wieder ein Beweis dafür, wie sehr Menschen sich nach der Einnahme von LSD verändern. Wir lernen unsere Patienten beim ersten Kontakt nur im Rauschzustand kennen und wissen nicht, wie sie sich normal verhalten. Es ist erschreckend, was sich manchmal hier abspielt. An den Wochenenden werden Minderjährige eingeliefert, die im Rauschzustand jeglichen Bezug zur Realität verloren haben“, stellte die Ärztin resigniert fest. „Aber nun zu dem jungen Mann, Herr Kommissar. Wie heißt er? Er hat keine Papiere bei sich. Können Sie mir seine Personalien angeben?“
„Ja, natürlich. Wissen Sie, was geschehen ist?“, fragte Tom.
„Nein, aber Ihnen ist ja sicherlich auch die ärztliche Schweigepflicht bekannt?“
„Ja, aber wir sind natürlich sehr stark daran interessiert, herauszufinden, wer zurzeit die Trips verkauft. Wir müssen befürchten, dass auch andere Konsumenten ähnliche Probleme bekommen und wollen natürlich den Verkäufer ermitteln“, rechtfertigte Tom seine Hartnäckigkeit.
Ecci fügte fast entschuldigend hinzu: „Wenn sich die Leute zukiffen, können wir sicherlich nicht jedem hinterherrennen. Aber bei den Trips müssen wir tätig werden, um Schlimmeres zu verhüten.“
„Ja, ich verstehe das natürlich. Rufen Sie mich im Lauf des Vormittags noch einmal an. Dann kann ich Ihnen vielleicht Näheres sagen.“
Aus dem weißen Kittel der Ärztin erklang ein piepsender Rufton.
„Ja, meine Herren, ich muss leider wieder auf Station. Wir sehen uns sicher bald wieder, denn ich werde in der nächsten Zeit hier meinen Dienst verrichten.“
„Eine Frage hätte ich noch. Welche Rolle spielt das Mädchen auf der Bank?“, fragte Tom.
„Seine Freundin. Sie war wohl zufällig am Bahnhof. Ich werde sie nach Hause schicken, denn sie kann nicht zu ihm.“
„Wir kennen das Mächen und werden es mit zurück in die Stadt nehmen oder nach Hause fahren.“
„Danke“, sagte die Ärztin und verschwand hinter der Milchglastür.
Tom ging zur Bank.
„Melanie?“
Melanie zuckte zusammen.
„Die Ärztin sagt, du kannst momentan nichts für Marco tun. Er hat eine Beruhigungsspritze bekommen und ist die nächste Zeit nicht ansprechbar. Du kannst mit uns in die Stadt zurückfahren.“
Melanie stand wortlos auf und nickte nur.
Die Ärztin öffnete nochmals die Tür und rief Melanie zu: „Du kannst deinem Freund ein paar frische Anziehsachen besorgen und an der Pforte abgeben.“
Dann winkte sie Tom noch mal zu sich.
„Sie haben vergessen, mir den Namen des jungen Mannes zu nennen.“
„Marco! Marco Kniebs“, antwortete Tom.
„Und wie war Ihr Name?“, fragte sie lächelnd.
„Schneider, Tom Schneider“, erwiderte Tom und gab ihr hastig seine
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