Shkarr (German Edition)
hatte. Er war sogar schon einmal geflohen, was der Händler Krischan gegenüber natürlich verschwiegen hatte.
Mittlerweile war es dem Kanarra selbst egal, wo er war und wer ihn besaß oder auch, welche Namen man ihm gab. Doch diese Gleichgültigkeit verhinderte nicht, dass er immer wieder ein unbändiges Gefühl nach Freiheit hatte. Er wollte auf die Jagd gehen, die Umgebung durchstreifen und andere seiner Art treffen. Mit jedem Jahr seines Lebens wurde dieses Gefühl stärker und es hatte außer den Fluchten nichts gegeben, was den Drang gemildert hätte. Auf der anderen Seite gab es jedoch auch die Erinnerungen an seine Häscher, die ihn nach recht kurzer Zeit gewaltsam eingefangen und gedemütigt zu seinem Eigentümer zurückgebracht hatte.
Es war immer schwerer geworden, sich vor den schwachen Geschöpfen, die die Menschen für ihn waren, zurücknehmen zu müssen. Doch das Band um seinen Hals war eine Warnung und Drohung zu gleich. Krischan wusste das nur noch nicht. Lange würde es aber nicht mehr dauern.
Diese schlauen Menschen fühlten sich ihm überlegen und sein neuer Herr würde ihn über kurz oder lang mithilfe des Halsbandes zähmen. In den Augen der Menschen war er nur ein dummes, wildes Tier, das sie mit Gewalt an sich banden, hinter Kraftfeldern und Käfigstäben sicherten und es schlugen, wenn es nicht gehorchte. Am schlimmsten waren dabei ihre Gedanken und das penetrante Gefühl der Überlegenheit.
Nur in seinen Träumen war er frei und wenn die Menschen ihn nicht mehr mit ihren Gedanken belästigten, weil sie schliefen. Davon abgesehen, war er jedoch nicht ohne Wissen und seine telepathischen Fähigkeiten halfen ihm dabei.
Irgendwann als Welpe hatte er festgestellt, dass er die Gedanken der Menschen lesen konnte. Zu Anfang hatte es ihm Mühe bereitet und furchtbare Schmerzen verursacht. Grenzen gab es aber auch. Nur wirklich klar gedachte Worte, Sätze oder Bilder vermochte er wahrzunehmen und auch nur dann, wenn der betreffende Mensch nicht sehr weit weg von ihm stand. Wollte er darüber hinaus etwas erfahren und mehr erhaschen, als ihm so gewährt wurde, dann drohten Kopfschmerzen und für einige Zeit heftiger Schwindel. Daher hatte er sich entschlossen, so etwas, wenn möglich, zu vermeiden. Doch die wenigen Gedankenbrocken, die er im Laufe seines Lebens hatte lesen können, genügten ihm bereits, um ihm zumindest ein wenig das Bild dieser Welt und der Wesen, die hier lebten, zu vermitteln. Zu seinem persönlichen Bedauern aber blieb ihm nie genug Zeit, mehr in Erfahrung zu bringen.
Soweit er sich zurückerinnern konnte, war er immer anders gewesen, als die anderen Kanarras. Sein telepathisches Talent war nur ein winziges Detail, das ihn von den anderen unterschied. Er war größer, weniger niedlich, sehr viel wilder als die anderen Exemplare. Sein Aussehen war schlicht weniger anziehend gewesen, sodass er sehr spät in eine Familie verkauft worden war. Diese Familie behielt ihn jedoch nicht sehr lange, da er sich nichts von den Kindern gefallen ließ. So kam er wieder zurück zum Händler. Ein paar Monate später war er wieder an eine Familie verkauft worden und das Spiel wiederholte sich.
Auch für die Zucht wollte man ihn nicht so richtig. Er entsprach nicht den Vorstellungen den Zuchtzielen der Züchter, was Gehorsam und Anschmiegsamkeit anbelangte.
Sein letzter Besitzer war ein Säufer gewesen, der seine Freude daran gehabt hatte, ihn tanzen zu lassen. Die einfachste Methode war, das Halsband auf die mittlere Stufe zu stellen. Dann war Shkarr noch gerade bei Bewusstsein und die Schmerzstufe war hoch genug, ihn hin- und herzucken zu lassen.
Der Kanarra erinnerte sich nur mit Abscheu und Angst daran. Wegen des Halsbandes und der sadistischen Ader seines vorletzten Besitzers hätte er diesen beinahe umgebracht. Es war Notwehr gewesen, aber das zählte natürlich nicht. Schließlich war er nur ein Tier. In blinder Wut und Schmerz hatte er seine Krallen ausgefahren und mit ihnen alles angegriffen, was sich ihm in den Weg zwischen dem Kontrollgerät und dem Menschen stellte, der es hielt. Es war der Säufer, der mit ihm gekämpft und der sich auch zur Wehr gesetzt hatte. Es war aber auch der Säufer, der den Kampf letztlich verlor.
Als er nach dem Kampf das viele Blut gesehen hatte und begriff, was er getan hatte, war er Hals über Kopf geflohen. Natürlich blieb das Opfer nicht lange unentdeckt und wurde rechtzeitig behandelt. Sein einziges Glück damals war, dass er ein Kanarra war
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