Shoal 01 - Lichtkrieg
zusammen.
Nun musste Dakota dafür sorgen, dass die Piri Reis gründlich am Rumpf des Sternenschiffs festgelascht war. Andernfalls würde ihr kleines Schiff den letzten, extremen Schub kurz vor dem Sprung in den Superluminalraum nicht überstehen.
Aus der Piri ragten weitere Kabel heraus, die sich manuell abspulen und an der Hülle des Wracks befestigen ließen. Dakota versetzte es einen Stich ins Herz, als sie die Schäden an ihrem Schiff sah, die die Rakete angerichtet hatte. Ein Teil des Rumpfes war glatt weggerissen worden. Sie schätzte, dass die Piri fast ein Fünftel ihrer Gesamtmasse verloren hatte.
Doch zum Jammern war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Eine zweite Trosse näherte sich dem Wrack und schob sich in dessen bleiche Haut hinein.
Schließlich ruhte die Piri Reis so sicher in der Umarmung des fremden Schiffs, wie es nur möglich war.
Dakota tastete sich zu einer Luftschleuse in der Hülle der Piri Reis. Dankbar stöhnte sie auf, als sie merkte, dass sich die Luke noch öffnen ließ. Sie ging an Bord, ihr Iso-Anzug verflüchtigte sich, und nackt kehrte sie in das Kommando-Modul zurück; sie empfand ein eigenartiges Gefühl der Verfremdung, als sie sich in einer Umgebung wiederfand, die sie nach menschlichem Ermessen nie wieder hätte sehen dürfen. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann musste sie sich eingestehen, dass sie nicht daran geglaubt hatte, ihr eigenes Schiff jemals wieder zu betreten.
Corso starrte sie verdutzt an; mit ihrer Leichenblässe und den weit aufgerissenen Augen sah sie aus wie ein Gespenst.
Sie wusste, was er dachte. Ich bin ein Gespenst, sagte sie sich in Gedanken. Und sie hatte recht, die alte Dakota gab es nicht mehr, sie war für immer verschwunden. Sie hatte eine volle Lebensspanne in den Datenspeichern des Wracks zugebracht, während ihr zerbrechlicher Körper eingebettet in dem bleichen Fleisch des fremden Schiffs ruhte.
»Um Fragen zu beantworten, fehlt uns die Zeit«, verkündete sie resolut und schob sich energisch an dem immer noch wie blöde gaffenden Corso vorbei. Ihr war seltsam zumute; sie kam sich vor wie jemand, der ein Haus betritt, das ihm von frühester Kindheit an vertraut ist, und der zu seiner Verwunderung bemerkt, dass sich nichts darin verändert hat und sich alles noch an seinem alten Platz befindet.
Sie versuchte, ihre Erinnerung an Corso auf den Mann zu übertragen, der jetzt vor ihr stand – erschrocken, kalkweiß und vor Angst und innerer Anspannung zitternd. Ihre Gefühle zu ihm waren von Zärtlichkeit geprägt, doch in vielerlei Hinsicht war er ein Fremder für sie, jemand, den sie vor langer Zeit einmal gekannt hatte.
»Dakota …«
Sie sah ihn an und merkte, dass er sie mit einem eigentümlichen Blick musterte.
»Lange nicht gesehen«, begann sie linkisch. Verwirrt runzelte er die Stirn.
»Entschuldigung. Lässt du mich mal vorbei?« Sie ging um ihn herum und begab sich an eine Konsole.
Sie hatte so manches vergessen – zum Beispiel, wie es an Bord ihres eigenen Schiffs roch. Die Luft schmeckte … schal. Einen Moment lang schloss sie die Augen, dann öffnete sie sie wieder, und ihre Erinnerung kehrte zurück.
»Wir benötigen die Unterstützung der Piri Reis, um dem Wrack die zum Transluminalsprung erforderliche Geschwindigkeit zu geben. Aber wir müssen uns beeilen, die Zeit drängt«, erklärte sie.
Corso blickte völlig verstört drein. Tröstend streckte sie die Hand aus und strich mit den Fingerspitzen sanft über sein Kinn. Nach ihrem langen Aufenthalt in der Bibliothek hatte sie das Gefühl, sie hätte seit einer Ewigkeit kein anderes menschliches Wesen mehr berührt; und irgendwie fand sie es ungewohnt, mit einem Menschen zu sprechen. Die Fähigkeit zur verbalen Kommunikation schien ihr abhanden gekommen zu sein.
Sie setzte zu einer näheren Erläuterung an. »Lass es mich mal so ausdrücken – die Piri Reis wird sich als Schlepper betätigen, die das Wrack quasi an den Haken nimmt. Das fremde Schiff muss zuerst ein ungeheuer hohes Tempo erreichen, ehe sich der Antrieb, der den überlichtschnellen Flug ermöglicht, zu seiner Höchstleistung aktiviert. Und hier kommt die Piri ins Spiel.«
»Aber dadurch verbrauchen wir unsere restliche Energie«, hielt er halbherzig dagegen.
Im Grunde war er viel zu kopflos und konsterniert, um eine echte Hilfe zu sein, deshalb verzichtete Dakota auf weitere Erklärungen oder gar Instruktionen.
Resolut drückte sie auf einen Schalter. In Gedanken stellte sie sich vor, wie die
Weitere Kostenlose Bücher