Shogun
Gasthauses waren angefüllt mit mißgelaunten Samurai. Die Offiziere schrien ihre Befehle mit völlig überflüssiger Schroffheit hinaus. Verängstigte Träger schossen hin und her und bereiteten sich auf den Abmarsch der Kolonne vor. Es blieb kaum noch eine Stunde, bis die Dunkelheit einsetzte.
Toranaga hatte die blumige Botschaft geschrieben und dann per Boten Zataki überbringen lassen – trotz aller Bitten und Vorhaltungen von Buntaro, Omi und Yabu, die nach dem Treffen noch zusammengekommen waren. Schweigend hatte er sich ihre Einwände angehört.
Zum Abschluß sagte er: »Ich will nicht mehr darüber reden. Ich habe mich entschieden. Gehorcht!«
Er hatte ihnen gesagt, er werde zunächst nach Anjiro zurückkehren, um den Rest seiner Leute zu holen. Morgen werde er dann auf der Küstenstraße auf Atami und Odawara zumarschieren und von dort über die Bergpässe nach Yedo. Das Musketenregiment sollte sich in Anjiro auf die Galeeren einschiffen, in See stechen und ihn in Yedo erwarten. Das Kommando übertrug er Yabu. Am nächsten Tag sollte Omi mit allen zur Verfügung stehenden Truppen über die Hauptverkehrswege bis zur Grenze vorrücken und sich mit Hiro-matsu vereinigen, der das Oberkommando führe und die Aufgabe habe, dafür zu sorgen, daß Ikawa Jikkyu den normalen Verkehr nicht behindere. Omi sollte fürs erste in Mishima Quartier nehmen, jenen Teil der Tokaidō-Straße bewachen und Sänften und Pferde in genügender Zahl für Toranaga und sein zahlreiches Gefolge bereitstellen, wie es für einen formellen Staatsbesuch nötig war. »Versetzt alle Stationen an der Straße in Alarmbereitschaft, und bereitet sie ebenfalls zum Abmarsch vor. Ihr versteht?«
»Jawohl, Euer Gnaden. Ihr könnt Euch auf mich verlassen.«
Als alles für den Abmarsch fertig war, trat Toranaga aus seinen Gemächern auf die Veranda heraus. Alle verneigten sich. Er ließ den Gastwirt kommen, der auf den Knien liegend seine Rechnung präsentierte. Toranaga überprüfte jeden einzelnen Posten und warf die Rechnung dann seinem Zahlmeister zum Begleichen hin. Nun ließ er Mariko und den Anjin-san zu sich bitten. Mariko erhielt die Erlaubnis, nach Osaka zu reisen. »Zunächst aber geht Ihr von hier direkt nach Mishima. Übergebt diese vertrauliche Nachricht Hiro-matsu, und dann reist zusammen mit dem Anjin-san weiter nach Yedo. Nach Osaka werdet Ihr dann wahrscheinlich per Schiff fahren … doch das werde ich später entscheiden! Anjin-san. Habt Ihr das Wörterbuch von dem Priester erhalten?«
Mariko dolmetschte.
»Gomen nasai. Ja, Buch bekommen.«
»Wenn wir uns in Yedo wiedersehen, werdet Ihr besser japanisch sprechen als jetzt. Wakarimasu ka?«
»Hai. Gomen nasai.«
Niedergeschlagen stapfte Toranaga aus dem Hof hinaus. Ein Samurai hielt einen großen Regenschirm über ihn. Abermals verneigten sich alle vor ihm, doch er schenkte ihnen keinerlei Beachtung, sondern stieg einfach in seine überdachte Sänfte, die an der Spitze der Marschkolonne stand, und schloß die Vorhänge.
Augenblicklich schulterten die sechs halbnackten Träger die Tragstangen und fielen in eine schnelle Gangart. Samurai ritten voraus, andere umgaben die Sänfte. Ersatzträger und der Troß mit dem Gepäck folgten, alle in großer Eile, alle innerlich verkrampft und voller Furcht. Omi führte die Vorhut an, Buntaro die Nachhut. Yabu und Naga waren bereits vorher losgeritten, um zum Musketenregiment zu stoßen, das weiter hinten die Straße bewachte; sobald Toranaga kam, sollten sie sich dem Zug anschließen und eine weitere Nachhut bilden. »Nachhut gegen wen?« hatte Yabu knurrend hingeworfen, als sie ein paar Augenblicke allein gewesen waren.
Buntaro schritt auf das hohe, gewölbte Haupttor des Gasthauses zu, ohne des heftigen Regens zu achten. »Mariko-san!«
Gehorsam eilte sie zu ihm. Die schweren Regentropfen prasselten auf das orangefarbene Ölpapier ihres Regenschirms. »Ja, Euer Gnaden?«
Unter dem Rand seines Bambushutes hervor ließ er seine Augen hastig über ihre ganze Gestalt wandern und wandte sie dann Blackthorne zu, der auf der Veranda stand. »Sagt ihm …« Er sprach nicht weiter.
»Euer Gnaden?«
Er starrte auf sie herab. »Sagt ihm, er sei in meinen Augen verantwortlich für Euch.«
»Jawohl, Euer Gnaden«, sagte sie. »Aber, bitte, verzeiht, ich bin für mich selbst verantwortlich.«
Buntaro drehte sich um und schätzte die Entfernung bis zur Spitze der Kolonne ab. »Jetzt wird es keine fallenden Blätter für unsere Augen
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