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Shogun

Shogun

Titel: Shogun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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katholische Samurai einer nach dem anderen über die Brücke geschlichen waren, um der Messe beizuwohnen, die Pater Alvito im Vorhof seines Gasthauses zelebrierte.
    »Möge Gott Euch Eure Lästereien verzeihen, Pilot. Jawohl. Möge er Euch verzeihen und Euch die Augen öffnen. Ich hege keinen Groll gegen Euch. Ich bin nur gekommen, Euch ein Geschenk zu überbringen. Hier, nehmt, ein Geschenk von Gott, Pilot.«
    Argwöhnisch nahm Blackthorne das Paket. Nachdem er es aufgemacht und das Portugiesisch-Lateinisch-Japanisch-Wörterbuch nebst Grammatik erkannt hatte, überlief ihn ein heiliger Schauder. Er blätterte ein paar Seiten durch. Zweifellos handelte es sich um ein Meisterwerk der Druckkunst, und was den Inhalt betraf, so war das einfach überwältigend. »Jawohl, das ist wahrhaftig ein Gottesgeschenk – nur hat Herr Toranaga Euch befohlen, es mir zu geben.«
    »Drei von unseren Brüdern haben siebenundzwanzig Jahre dazu gebraucht, es zu erstellen.«
    »Warum gebt Ihr es mir dann?«
    »Man hat uns darum gebeten.«
    »Warum habt Ihr Euch denn nicht Toranagas Bitte entzogen? Es ist viel zu kostbar, um es zu verschenken. Was wollt Ihr dafür haben?«
    »Er hat uns gebeten, es Euch zu geben. Der Pater Visitator war einverstanden, und so gehört es jetzt Euch. Es ist erst dieses Jahr gedruckt worden, endlich! Es ist wunderschön, nicht wahr? Wir bitten Euch nur, es zu hüten wie Euren Augapfel und es gut zu behandeln. Das Buch hat es verdient.«
    »Es sollte mit dem Leben verteidigt werden; denn es birgt unschätzbares Wissen, wie Eure roteiros . Nur dies hier ist noch kostbarer. Was wollt Ihr dafür haben?«
    »Wir verlangen nichts dafür.«
    »Das glaube ich Euch nicht.« Blackthorne wog es in der Hand, noch mißtrauischer. »Schließlich müßt Ihr wissen, daß es mir all Eure Kenntnisse bietet und zehn, vielleicht zwanzig Jahre Arbeit erspart. Mit Hilfe dieses Buches werde ich bald so gut japanisch sprechen wie Ihr. Das hier ist ein Schlüssel zu Japan, neh? In sechs Monaten werde ich imstande sein, mich direkt mit Toranaga-sama zu unterhalten.«
    »Ja, vielleicht werdet Ihr das. Falls Euch sechs Monate bleiben.«
    »Was soll das heißen?«
    »Nichts weiter als das, was Ihr ohnehin schon wißt. Herr Toranaga wird tot sein, längst ehe sechs Monate verstrichen sind.«
    »Warum? Was für Nachrichten habt Ihr ihm überbracht? Seit er mit Euch gesprochen hat, ist er wie ein Stier, dem halb die Gurgel zerfetzt worden ist.«
    »Es handelte sich um eine persönliche Botschaft – von Seiner Eminenz an Herrn Toranaga. Tut mir leid – ich bin bloß der Bote. Aber General Ishido beherrscht Osaka, wie Ihr sicherlich wißt, und wenn Toranaga-sama nach Osaka geht, dann ist alles für ihn zu Ende. Und für Euch auch.«
    Blackthorne gefror das Mark in den Knochen. »Warum für mich auch?«
    »Ihr könnt Eurem Schicksal nicht entgehen, Pilot. Ihr habt Toranaga gegen Ishido beigestanden. Habt Ihr das vergessen? Ihr habt Ishido die Hände um den Hals legen wollen. Ihr seid es, der den Fluchtweg aus dem Hafen von Osaka heraus gebahnt hat. Tut mir leid, aber auch Euer Samurai-Status wird Euch da nichts helfen. Vielleicht ist es jetzt, wo Ihr Samurai seid, nur noch schlimmer. Jetzt wird man Euch befehlen, Seppuku zu begehen, und wenn Ihr Euch weigert …«
    »Das ist Karma – liegt in Gottes Hand – nennt es, wie Ihr wollt«, sagte Blackthorne. Er war gereizt. »Aber beim Allmächtigen, noch ist alles offen. Ich werde mein Schiff wiederbekommen, und dann, in ein paar Jahren, werde ich ein Geschwader von englischen Schiffen hier herausführen und Euch aus ganz Asien vertreiben und zur Hölle schicken.«
    Und abermals sprach Alvito mit seiner unendlichen, rasend machenden Ruhe. »Das liegt in Gottes Hand, Pilot. Hier jedoch sind die Würfel gefallen, und nichts von dem, was Ihr sagt, wird eintreten. Nichts.« Alvito blickte ihn an, als sei er bereits tot. »Möge Gott Eurer Seele gnädig sein, denn, so wahr mit Gott helfe, Pilot, ich glaube, daß Ihr diese Inseln nie wieder verlassen werdet.«
    Ein Schauer überrann Blackthorne. Er hatte nicht vergessen, mit welch tiefer Überzeugung Alvito so gesprochen hatte.
    »Friert Ihr, Anjin-san?«
    Mariko stand neben ihm auf der Veranda und schüttelte ihren Regenschirm aus. »Oh, Verzeihung, nein, mich friert nicht – ich habe nur gerade nachgedacht.« Er warf einen Blick zur Höhe des Passes hinauf. Die ganze Marschkolonne war in der Wolkenbank verschwunden. Der Regen hatte etwas

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