Shogun
Kraft, über die er nicht gebieten konnte, ließ es nach Norden fliegen, und es entschwand.
»Ah, Tetsu-ko, ich danke dir! Mögest du viele Töchter bekommen«, sagte er und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Erde zu.
Das Dorf lag sauber in den Strahlen der jetzt tief stehenden Sonne, der Anjin-san saß an seinem Tisch, die Samurai exerzierten, Rauch ringelte sich von den Kochstellen empor. Auf der anderen Seite der Bucht, zwanzig Ri weiter lag Yedo. Vierzig Ri weiter südwestlich lag Anjiro. Zweihundertundneunzig Ri weiter westlich lag Osaka und nördlich davon, kaum dreißig Ri weit entfernt, Kyoto.
Dort sollte die Entscheidungsschlacht stattfinden, dachte er. In der Nähe der Hauptstadt. Etwas weiter nördlich in der Gegend von Gifu, Ogaki oder Hashima an der Nakasendō, der Großen Nordstraße. Vielleicht dort, wo die Straße nach Süden zur Hauptstadt abbiegt, in der Nähe des kleinen Bergdorfes Sekigahara. Irgendwo dort. Ach, ich könnte mich jahrelang sicher hinter meinen Bergen verschanzen, aber dies ist die Chance, auf die ich immer gewartet habe: Ishidos Hauptschlagader ist ungeschützt.
Mein Hauptvorstoß wird über die Nordstraße vorgetragen werden und nicht über die Tokaidō, die Küstenstraße, obwohl ich zwischen heute und jenem Tag noch fünfzig Mal so tun werde, als würfe ich meine Entscheidung über den Haufen und wählte die andere. Mein Bruder wird mit mir reiten. O ja, ich glaube, Zataki wird sich davon überzeugen, daß Ishido ihn an Kiyama verraten hat. Mein Bruder ist kein Narr. Und ich werde meinen feierlichen Schwur halten und versuchen, Ochiba für ihn zu gewinnen. In der entscheidenden Schlacht wird Kiyama zu mir übergehen, ja, ich denke, das wird er tun, und wenn er es tut, dann wird er über seinen gehaßten Rivalen Onoshi herfallen. Das wird das Signal für die Musketen sein, zum Angriff überzugehen. Ich werde ihre Armeen von den Seiten her aufrollen, und ich werde siegen. O ja, ich werde siegen … weil Ochiba so klug sein wird, niemals den Erben persönlich gegen mich vorgehen zu lassen. Sie weiß, wenn sie das täte, wäre ich gezwungen, ihn zu töten, tut mir leid.
Toranaga lächelte still in sich hinein. In dem Augenblick, da ich gesiegt habe, werde ich Kiyama Onoshis sämtliche Ländereien geben und ihn dazu auffordern, Saruji zu seinem Erben zu machen. Und sobald ich Vorsitzender des neuen Regentschaftsrats bin, werde ich Zatakis Vorschlag Ochiba unterbreiten, die dermaßen außer sich sein wird über eine solche Unverschämtheit, daß die Regenten, um die Erste Dame des Reiches zu beschwichtigen, voller Bedauern meinen Bruder auffordern werden, in die Große Leere einzugehen. Und wer soll an seiner Stelle Regent werden? Kasigi Omi. Kiyama wird Omi zur Beute fallen … ja, das ist klug und so leicht zu bewerkstelligen, weil Kiyama, Herr aller Christen, bis dahin voller Stolz seine Religion herauskehren wird, die ja immer noch gegen unsere Gesetze ist. Die Ausweisungsedikte des Taikō sind schließlich niemals widerrufen worden, neh? Ganz gewiß wird Omi gemeinsam mit den anderen sagen: »Ich bin dafür, daß die Ausweisungsedikte wirksam werden.« Und wenn erst einmal Kiyama nicht mehr ist, nie wieder einen christlichen Regenten. Mit Geduld werden wir dann unseren Druck auf diese dumme, aber gefährliche fremde Lehre vergrößern, die eine Bedrohung für das Land der Götter darstellt und immer unsere Wa gestört hat … und daher ausgerottet werden muß. Wir Regenten werden die Landsleute des Anjin-san ermuntern, den portugiesischen Handel zu übernehmen. Sobald als möglich werden die Regenten befehlen, daß aller Handel und alle Ausländer sich auf Nagasaki, das heißt, auf einen kleinen Teil von Nagasaki, zu beschränken haben und sehr sorgsam überwacht werden müssen. Und dann werden wir ihnen das Land für immer verschließen … ihnen und ihren Feuerwaffen und ihrem Gift.
Ein Goldenes Zeitalter wird anbrechen. Ochiba und der Erbe werden majestätisch in Osaka Hof halten, von Zeit zu Zeit werden wir ihnen huldigen und weiterhin in seinem Namen regieren – außerhalb der Burg von Osaka. Innerhalb der nächsten drei Jahre etwa wird der Sohn des Himmels mich auffordern, den Regentschaftsrat aufzulösen und für den noch verbliebenen Teil der Minderjährigkeit meines Neffen Shōgun zu werden. Die Regenten werden mich bestürmen anzunehmen, und widerstrebend werde ich das dann auch tun. Nach ein, zwei Jahren werde ich zugunsten von Sudara abdanken und meine
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